Rechtliche Grundlagen und Praxisfall
In der erbrechtlichen Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen. Insbesondere bei privatschriftlichen Testamenten besteht die Gefahr von Testamentsfälschungen, die die Nachlassgerichte vor große Herausforderungen stellen. Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Erbschein eingezogen werden kann, wenn ein nachträglich vorgelegtes Testament angezweifelt wird.
Sachverhalt: Streit um Erbschein und Echtheit eines handschriftlichen Testaments
Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2022 wurde seiner Tochter ein Erbschein als Miterbin zu ½ erteilt. Später legte der Enkel des Erblassers (Beschwerdeführer) ein handschriftliches Testament vor, in dem er als Alleinerbe eingesetzt sein soll, und beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins.
Ein graphologisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass das Testament mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Erblasser stammt. Insbesondere auffällige Schriftabweichungen und falsch geschriebene Namen sprechen für eine mögliche Testamentsfälschung durch den Beschwerdeführer.
Der Beschwerdeführer bestritt die Fälschung und verwies auf gesundheitliche Einschränkungen des Erblassers. Zudem rügte er die unterlassene Beweisaufnahme, da eine Zeugin zum Testierwillen nicht vernommen wurde. Sowohl das Amtsgericht als auch die Beschwerdebehörde folgten diesen Einwänden nicht.[1]
Rechtliche Maßstäbe für die Einziehung eines Erbscheins
Gemäß § 2361 BGB ist ein Erbschein einzuziehen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen für seine Erteilung nicht gegeben waren. Im vorliegenden Fall kann die Tochter des Erblassers nur dann nicht zur Hälfte erben, wenn das später vorgelegte Testament wirksam und echt ist.
Die Beweislast für die Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins liegt dabei grundsätzlich bei demjenigen, der sich auf ein anderes Testament beruft – hier also beim Beschwerdeführer. Er muss die tatsächlichen Voraussetzungen der Wirksamkeit und Echtheit des Testaments nachweisen.
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Anforderungen an die Echtheitsprüfung bei privatschriftlichen Testamenten
Ein handschriftliches Testament muss gemäß § 2247 Abs. 1 BGB vollständig vom Erblasser geschrieben und unterschrieben sein. Bestehen Zweifel an der Echtheit, ist eine Gesamtschau aller Umstände erforderlich. Die Beweiswürdigung obliegt dabei dem Nachlassgericht nach § 26 FamFG unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen.
Das Amtsgericht hat hier insbesondere ein graphologisches Gutachten eingeholt, das nachvollziehbar begründet zu dem Ergebnis kam, dass das Testament nicht vom Erblasser stammt. Die Entscheidung des Gerichts, dem Gutachten zu folgen, ist im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO nicht zu beanstanden.
Zeugenbeweis und Anforderungen an Zeugen bei Testamentserrichtung
Zur Feststellung der Echtheit eines Testaments können Zeugen vernommen werden. Dabei müssen diese das Originaltestament gesehen und selbst gelesen haben. Zeugen vom Hörensagen reichen nicht aus.
Im vorliegenden Fall betraf der Zeugenbeweis jedoch nicht die Echtheit der Urkunde, sondern nur den behaupteten Testierwillen des Erblassers – eine Frage, die angesichts der starken Zweifel an der Urheberschaft des Testaments rechtlich nicht mehr entscheidend war.
Keine Beweisvereitelung durch unterlassene Zeugenvernehmung
Die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugin sollte nicht zur Echtheit der Urkunde, sondern zum Testierwillen aussagen. Diese Frage stellte sich jedoch nicht mehr, da bereits Zweifel an der Echtheit bestanden. Auf eine weitere Beweiserhebung durfte das Gericht daher verzichten.
Auch liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 28 FamFG) oder des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) vor. Das Gericht war nicht verpflichtet, jedem Beweisantrag nachzugehen, wenn das Beweisthema nicht entscheidungserheblich ist.
Die Entscheidung, den Erbschein nicht einzuziehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Echtheit des später vorgelegten Testaments konnte nicht mit der erforderlichen Überzeugung festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat den Nachweis eines wirksamen Testaments nicht geführt, sodass der ursprüngliche Erbschein Bestand hat.
Fazit: Erbschein bleibt bestehen – Nachweis für wirksames Testament fehlt
Die Entscheidung, den Erbschein nicht einzuziehen, ist rechtlich begründet. Die Echtheit und Wirksamkeit des später vorgelegten handschriftlichen Testaments konnten nicht mit der notwendigen Überzeugung festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat den Nachweis eines wirksamen Testaments nicht erbracht. Somit bleibt der ursprüngliche Erbschein rechtsgültig.
- Erbschein nur bei sicherem Testament einziehen:Die Echtheit eines privatschriftlichen Testaments muss eindeutig bewiesen sein, bevor ein Erbschein eingezogen wird.
- Beweislast für Echtheit: Wer Rechte aus einem Testament geltend macht, muss dessen Echtheit und Wirksamkeit überzeugend nachweisen.
- Zeugen müssen Originaltestament gesehen haben:Zeugenbeweise zur Echtheitsprüfung erfordern, dass Zeugen das Original gelesen haben; Hörensagen reicht nicht aus
Quellen
[1] OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.12.2024- 3 W 64/24