Zuwendungen aus ausländischen Stiftungen bleiben nicht steuerfrei
Wenn Vermögenswerte nicht direkt aus einem Nachlass stammen, sondern über komplexe Gestaltungen wie Stiftungen übertragen werden, stellt sich schnell die Frage: Liegt überhaupt ein steuerpflichtiger Erwerb vor? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in einem aktuellen Urteil mit einer solchen Konstellation befasst – und entschieden, dass Rentenzahlungen aus einer liechtensteinischen Stiftung, die erst nach dem Tod der Stifterin einsetzen, als Schenkung auf den Todesfall zu qualifizieren sein können. Damit können sie der deutschen Erbschaftsteuer unterfallen, obwohl sie nicht klassisch vererbt werden. Das Urteil zeigt: Auch bei ausländischen Stiftungen mit komplexer Struktur ist entscheidend, welche Verfügungsmacht vor dem Tod bestand und wie die Begünstigung rechtlich ausgestaltet wurde.
Was ist passiert?
Die Klägerin ist die Tochter einer verstorbenen Erblasserin, die bereits im Jahr 1990 eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht gegründet hatte. Zu Lebzeiten war sie die alleinige Begünstigte dieser Stiftung. Nach ihrem Tod sollte ihre Tochter – die Klägerin – eine lebenslange jährliche Rente aus dem Stiftungsvermögen erhalten. Die Stiftung war auf Dauer errichtet und wurde über eine Treuhand- und Verwaltungsanstalt verwaltet, die ausschließlich den Weisungen der Stifterin unterlag.
Mit dem Tod der Erblasserin wurde die Klägerin nach den Bestimmungen der Beistatuten zur Rentenempfängerin. Die Rentenzahlungen begannen formal bereits zu Lebzeiten der Stifterin, wurden jedoch nach deren Tod auf Grundlage der Satzung weitergeführt. Das Finanzamt wertete diese fortgesetzten Zahlungen als Erwerb von Todes wegen – genauer: als Erwerb im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Entsprechend setzte es Erbschaftsteuer fest.
Die Klägerin wehrte sich dagegen und argumentierte, dass das Stiftungsvermögen nicht dem Nachlass ihrer Mutter zuzuordnen sei und daher kein Erwerb von Todes wegen vorliege. Das Finanzgericht Köln gab ihr zunächst Recht – doch der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück.
Rentenzusage kann Schenkung auf den Todesfall sein
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Urteil des Finanzgerichts Köln aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Rentenzahlungen der Stiftung an die Tochter der Erblasserin als steuerpflichtiger Erwerb im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes einzuordnen sind. Dabei hält der BFH eine andere rechtliche Qualifikation für möglich – nämlich eine Schenkung auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG.
Drei Überlegungen waren für den BFH dabei maßgeblich:
- Rentenanspruch aus Schenkungsversprechen möglich
Der BFH weist darauf hin, dass eine Rentenzahlung, die erst mit dem Tod der Stifterin wirksam wird, als Schenkung auf den Todesfall gelten kann – selbst dann, wenn die Leistung aus dem Vermögen einer Stiftung erbracht wird. Entscheidend ist dabei nicht das Vermögen der Stiftung an sich, sondern das durch die Erblasserin geschaffene Rentenstammrecht zugunsten der Begünstigten. - Kein Übergang durch Erbschaft oder Vertrag nötig
Der BFH betont, dass es sich bei der Zuwendung nicht zwingend um einen Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder durch einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) handeln muss. Stattdessen könne das Versprechen der Rentenzahlung in der Stiftungsurkunde – sofern es erst mit dem Tod der Stifterin wirksam wird – eine eigenständige Besteuerungsgrundlage nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG darstellen. - Fehlende Feststellungen des Finanzgerichts
Das Finanzgericht hatte nicht hinreichend geprüft, ob bereits zu Lebzeiten der Erblasserin ein verbindliches Schenkungsversprechen vorlag oder ob erst mit deren Tod ein Anspruch entstanden ist. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die steuerliche Einordnung und muss nun nachgeholt werden.
BFH stärkt Steuerzugriff auf Zuwendungen aus Stiftungen
Das Urteil des Bundesfinanzhofs hat über den konkreten Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung für die steuerliche Behandlung von Begünstigungen aus ausländischen Stiftungen. Es zeigt, dass selbst dann eine steuerpflichtige Schenkung auf den Todesfall vorliegen kann, wenn der Vermögensvorteil nicht unmittelbar aus dem Nachlass stammt, sondern aus einem von der verstorbenen Person zuvor errichteten Stiftungsstatut herrührt. Entscheidend ist allein, dass der Erwerb durch den Tod der stiftenden Person ausgelöst wird und der Begünstigte erst nach diesem Zeitpunkt eine gesicherte Rechtsposition erhält.
Mit dieser Entscheidung wird deutlich, dass auch komplexe internationale Gestaltungen – wie die Einbindung einer liechtensteinischen Stiftung – nicht außerhalb des Anwendungsbereichs des Erbschaftsteuerrechts stehen. Der BFH macht klar: Die formale Trennung von Nachlass und Stiftungsvermögen schützt nicht vor einer Besteuerung, wenn die Begünstigung klar auf dem Willen des Verstorbenen beruht und erst mit dessen Tod eintritt. Dadurch wird die Finanzverwaltung verpflichtet, genauer zu prüfen, ob derartige Zuwendungen nicht als schenkungsteuerpflichtige Vorgänge nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zu qualifizieren sind – auch wenn kein klassisches Vermächtnis oder Vertrag zugunsten Dritter vorliegt.
Das Urteil stärkt somit die steuerliche Substanzkontrolle bei grenzüberschreitenden Vermögensübertragungen und verhindert eine Umgehung durch ausländische Stiftungsmodelle, die letztlich erbrechtliche Wirkungen entfalten. Steuerpflichtige, Berater und die Verwaltung müssen sich künftig verstärkt mit der inhaltlichen Ausgestaltung von Stiftungsstatuten und der Abhängigkeit von Todeszeitpunkten auseinandersetzen.
1. Zuwendungsstruktur frühzeitig prüfen:
Wer aus einer Stiftung bedacht wird, sollte klären, ob es sich steuerlich um eine Schenkung auf den Todesfall handelt. Entscheidend ist, wann und wie der Anspruch entsteht – also vor oder nach dem Tod des Stifters.
2. Gestaltung klar dokumentieren:
Stifter und Berater sollten darauf achten, dass die Begünstigung eindeutig geregelt ist. Je weniger Gestaltungsspielraum nach dem Tod verbleibt, desto eher wird steuerlich ein Erwerb von Todes wegen angenommen.
3. Intransparenz schützt nicht vor Besteuerung:
Auch wenn das Stiftungsvermögen nach dem Tod des Stifters als „intransparent“ gilt, kann eine Rentenzahlung steuerpflichtig sein – vor allem, wenn sie klar durch den Stifter veranlasst wurde.
Quelle: BFH-Urteil vom 11. Dezember 2024, II R 50/22