BFH verlangt Marktzinssätze bei der Besteuerung von Darlehen.
Ein Darlehen von der Schwester, ein Zinssatz von nur einem Prozent – auf den ersten Blick ein familiäres Entgegenkommen. Doch steuerlich betrachtet, können solche Vergünstigungen teuer werden. Der Bundesfinanzhof hat jetzt klargestellt: Ein zinsverbilligtes Darlehen kann eine steuerpflichtige Schenkung darstellen, wenn die Konditionen deutlich von marktüblichen Bedingungen abweichen.
In einem aktuellen Fall entschied der BFH, dass nicht automatisch der pauschale Zinssatz des Bewertungsgesetzes von 5,5 % anzusetzen ist, sondern ein tatsächlich marktüblicher Zinssatz berücksichtigt werden muss. Ein Urteil, das nicht nur für familiäre Darlehen weitreichende Folgen hat
Was ist passiert?
Im Jahr 2016 gewährte eine Schwester ihrem Bruder ein Darlehen in Höhe von rund 1,88 Millionen Euro – zu einem Zinssatz von nur 1 % jährlich. Üblicherweise hätten vergleichbare Darlehen am Markt etwa 2,81 % Zinsen gekostet. Das Finanzamt sah in dieser erheblichen Vergünstigung eine gemischte Schenkung und setzte eine Schenkungsteuer in Höhe von 229.500 € fest.
Strittig war dabei nicht nur die Frage, ob überhaupt eine freigebige Zuwendung vorlag, sondern auch, wie hoch der Zinsvorteil bewertet werden muss. Während das Finanzamt auf den gesetzlich normierten Zinssatz von 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG abstellte, verwies der Kläger auf tatsächliche Marktbedingungen, die einen deutlich niedrigeren Zinssatz erkennen ließen.
Marktzinssatz statt Pauschalwert: Der neue Maßstab bei Schenkungsteuer
Nicht jede Zinsersparnis rechtfertigt pauschale Schätzungen: Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass bei zinsverbilligten Darlehen die steuerliche Bewertung differenziert erfolgen muss. Maßgeblich sind konkrete Marktverhältnisse, nicht abstrakte Vorgaben aus dem Gesetz.
Die drei zentralen Gründe der Entscheidung:
- Freigebige Zuwendung durch verbilligtes Darlehen:
Der Verzicht auf marktübliche Zinsen stellt eine steuerpflichtige Bereicherung des Darlehensnehmers dar. - Vorrang tatsächlicher Marktzinssätze:
Liegt ein marktüblicher Zinssatz für vergleichbare Darlehen fest, muss dieser statt des pauschalen 5,5 %-Satzes nach § 15 Abs. 1 BewG angesetzt werden. - Praxisgerechte Bewertung statt starrer Gesetzesanwendung:
Der tatsächliche Vorteil des Darlehensnehmers ist anhand realer Marktbedingungen zu ermitteln – nicht allein nach gesetzlichen Standardzinssätzen
Praxisgerechte Bewertung statt starrer Vorgaben im Schenkungsteuerrecht
Das Urteil des Bundesfinanzhofs stärkt die Orientierung an tatsächlichen Marktverhältnissen im Schenkungsteuerrecht. Es zeigt deutlich, dass pauschale Ansätze wie der gesetzliche Zinssatz von 5,5 % nicht herangezogen werden dürfen, wenn konkrete marktübliche Zinssätze vorliegen. Damit wird der Schutz der Steuerpflichtigen vor unrealistischer Besteuerung erheblich verbessert. Besonders bei Darlehen innerhalb der Familie oder im privaten Bereich bedeutet die Entscheidung eine größere Rechtssicherheit: Steuerbelastungen müssen sich an den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren, nicht an starren gesetzlichen Vorgaben. Für die Finanzverwaltung bedeutet das Urteil zugleich eine Pflicht zur sorgfältigeren Prüfung und zur Berücksichtigung individueller Vertragskonditionen.
1. Marktübliche Zinssätze recherchieren und berücksichtigen
Vor der Vergabe eines Darlehens sollte geprüft werden, welche Zinssätze am Markt für vergleichbare Konditionen üblich sind. Zu niedrige Zinsen können eine steuerpflichtige Schenkung auslösen.
2. Vergleichszinsen und Marktbedingungen dokumentieren
Um spätere Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden, sollten die ermittelten Marktzinssätze schriftlich festgehalten und die Darlehensbedingungen nachvollziehbar dokumentiert werden.
3. Darlehensverträge juristisch prüfen lassen
Gerade bei familiären Darlehen empfiehlt sich eine rechtliche Überprüfung der Verträge, um ungewollte Schenkungsteuer folgen oder Bewertungsprobleme frühzeitig auszuschließen.
Quelle: BFH-Urteil vom 31. Juli 2024, II R 20/22