Wann eingezogene Bestechungsgelder die Umsatzsteuer mindern müssen

Bestechung, Steuer und Einziehung - wenn der Staat mit zweierlei Maß misst Ein Ingenieur lässt sich bestechen, kassiert satte Summen - und wird zu Recht verurteilt. Doch steuerlich beginnt der...

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Bestechung, Steuer und Einziehung – wenn der Staat mit zweierlei Maß misst

Ein Ingenieur lässt sich bestechen, kassiert satte Summen – und wird zu Recht verurteilt. Doch steuerlich beginnt der Ärger erst richtig: Der Fiskus verlangt Umsatzsteuer auf das Schwarzgeld, obwohl es längst vom Staat eingezogen wurde. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Die Folge: doppelte Kasse für den Staat? Der Bundesfinanzhof (BFH) zieht die juristische Notbremse – und korrigiert das Steuerverständnis der Verwaltung. Dieses Urteil ist mehr als ein Einzelfall. Es geht ums Prinzip: Wann endet die Steuerpflicht, wenn der Staat selbst das Tatentgelt einkassiert?

 

Was ist passiert?

Ein Diplom-Ingenieur war über mehrere Jahre bei verschiedenen Immobilienunternehmen als Projektleiter tätig und hatte dabei maßgeblichen Einfluss auf die Vergabe von Bauaufträgen. Diese Position nutzte er aus: Gegen Zuwendungen – sogenannte „Schmiergelder“ – beauftragte er gezielt bestimmte Ingenieurbüros und Bauunternehmen. Die erhaltenen Zahlungen wurden ihm dabei nicht von seinem Arbeitgeber, sondern direkt von den Auftragnehmern gewährt.

Das Finanzamt warf ihm daraufhin vor, diese Zuwendungen als steuerpflichtige Entgelte für Leistungen im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit vereinnahmt zu haben. Er hatte sie jedoch nicht in seinen Umsatzsteuererklärungen angegeben. Die Umsätze in den Jahren 2011 bis 2015 beliefen sich auf rund 379.000 Euro brutto, davon 6.997 Euro im Jahr 2015.

Gegen den Ingenieur wurde später ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung eingeleitet. Das Landgericht verurteilte ihn 2020 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten. Zugleich wurde eine Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 340.259,11 Euro angeordnet.

Bereits 2015 hatte der Kläger 12.000 Euro bar an die Landesjustizkasse gezahlt – eine Teilzahlung auf die spätere Einziehung. Diese Zahlung machte er im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung 2015 geltend: Sie mindere die Bemessungsgrundlage seiner Umsätze nach § 17 UStG. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Es kam zum Streit: Darf die Umsatzsteuer auf ein Entgelt erhoben werden, das später vom Staat eingezogen wurde? Und wenn ja – muss die Bemessungsgrundlage nicht zumindest im Nachhinein reduziert werden?

 

BFH schützt Steuerpflichtige vor Doppelbelastung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage im Fall strafrechtlich eingezogener Bestechungsgelder zu reduzieren ist. Die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung, solche Zahlungen seien umsatzsteuerlich unbeachtlich, wurde damit ausdrücklich verworfen.

Die vom Kläger an die Landesjustizkasse geleistete Zahlung im Rahmen der Einziehung (§§ 73 ff. StGB) mindert die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG. Die Umsatzsteuer ist im Zeitpunkt der Einziehung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen.

Begründung des BFH:

  1. Steuerbarkeit der Bestechungsgelder:
    Die erhaltenen Bestechungsgelder stellen Entgelt für eine steuerpflichtige sonstige Leistung dar. Dabei ist es unerheblich, dass diese Leistungen illegal waren – auch sittenwidrige oder strafbare Umsätze sind steuerbar, solange ein Leistungsaustausch vorliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStG).
  2. Keine Doppelbelastung zulässig (Verfassungsrecht):
    Die vom Kläger geleistete Zahlung im Rahmen der Einziehung führt dazu, dass der wirtschaftliche Vorteil rückwirkend entfällt. Eine zusätzliche Besteuerung dieses bereits abgeschöpften Entgelts verstieße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt klargestellt, dass eine Doppelbelastung mit Steuer und Einziehung verfassungswidrig ist (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1990 – 1 BvL 4–7/87).
  3. Unionsrechtlicher Rahmen:
    Auch das Unionsrecht (Art. 73, 90 MwStSystRL) verbietet es, Mehrwertsteuer auf Beträge zu erheben, die tatsächlich nicht beim Unternehmer verbleiben. Der Grundsatz der Steuerneutralität verlangt, dass die Steuer nur auf tatsächlich erhaltenes Entgelt entfällt. Wird ein Betrag strafrechtlich abgeschöpft, ist er aus der Bemessungsgrundlage herauszurechnen.
  4. Teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG:
    § 10 UStG ist im Lichte des Verfassungs- und Unionsrechts teleologisch zu reduzieren. Zwar spricht der Wortlaut zunächst für eine weite Bemessungsgrundlage, jedoch erlaubt das Gesetz keine Ergebnisse, die gegen höherrangiges Recht verstoßen. Daher ist im Fall einer Einziehung die Bemessungsgrundlage rückwirkend um den eingezogenen Betrag zu mindern.
  5. Anwendung von § 17 UStG:
    Die Einziehung stellt eine nachträgliche Minderung des Entgelts dar. Auch wenn die Zahlung an den Staat und nicht an den Leistungsempfänger erfolgt, ist sie wirtschaftlich einer Rückzahlung gleichzusetzen, da der Leistende den Betrag nicht behalten darf.

 

Einziehung mindert die Steuer – und sorgt für rechtliche Fairness

Das Urteil des Bundesfinanzhofs hat weitreichende Bedeutung – sowohl praktisch für Steuerpflichtige als auch dogmatisch für das Verständnis des Umsatzsteuerrechts. Es korrigiert eine bislang vertretene Sichtweise der Finanzverwaltung, wonach strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder keine umsatzsteuerliche Relevanz hätten. Der BFH stellt nun klar: Wird ein Tatentgelt vom Staat eingezogen, muss dies die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer mindern. Damit folgt das Gericht nicht nur dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern auch den unionsrechtlichen Vorgaben zur steuerlichen Neutralität. Die Entscheidung schützt Steuerpflichtige vor einer doppelten Belastung – nämlich der Besteuerung eines Entgelts, das ihnen wirtschaftlich gar nicht mehr verbleibt.

Darüber hinaus bringt das Urteil Rechtssicherheit in einer bisher rechtlich ungeklärten Grauzone: Es bestätigt, dass auch illegale oder sittenwidrige Leistungen steuerbar sein können – aber eben nur insoweit, wie der wirtschaftliche Vorteil tatsächlich beim Leistenden verbleibt. Für Berater, Verteidiger und Unternehmen bedeutet das Urteil ein klares Signal: Wird ein Entgelt strafrechtlich abgeschöpft, muss die Umsatzsteuer in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Einziehung erfolgt, berichtigt werden – und zwar durch eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG. Das Urteil schafft damit einen wichtigen Gleichklang zwischen Steuerrecht und Strafrecht und unterstreicht den Grundsatz, dass steuerliche Belastung stets an der realen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist.

 

Tipp:
  • Einziehungsbescheide genau prüfen: Wurde gegen einen Mandanten ein Vermögensarrest oder eine Einziehung angeordnet? Dann sollte stets geklärt werden, ob die gezahlten Beträge im Zusammenhang mit umsatzsteuerpflichtigen Leistungen stehen – das kann eine spätere Minderung der Steuerlast ermöglichen.
  • § 17 UStG gezielt anwenden: Die Berichtigung der Umsatzsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung an die Justizkasse möglich – nicht rückwirkend. Deshalb lohnt sich eine genaue Dokumentation und zeitnahe Antragstellung beim Finanzamt, um eine Korrektur der Bemessungsgrundlage durchzusetzen.
  • Nicht ins Billigkeitsverfahren ausweichen: Der Steuerpflichtige muss nicht auf einen Erlass nach § 227 AO hoffen. Die Minderung der Bemessungsgrundlage ist rechtlich geboten und ergibt sich unmittelbar aus § 17 UStG in Verbindung mit höherrangigem Recht – ein starker Hebel im Einspruchsverfahren.

Quellen


Urteil vom 25. September 2024, XI R 6/23

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