Darf das Geschlecht über Steuern entscheiden?

Wie lange lebt ein Nießbrauchsberechtigter - und darf das Geschlecht dabei eine Rolle spielen? Diese Frage klingt auf den ersten Blick kurios, hat jedoch große steuerliche Relevanz. Denn bei der...

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Wie lange lebt ein Nießbrauchsberechtigter – und darf das Geschlecht dabei eine Rolle spielen?

Diese Frage klingt auf den ersten Blick kurios, hat jedoch große steuerliche Relevanz. Denn bei der Bewertung lebenslänglicher Nutzungen – wie dem Nießbrauch – kommt es auf die statistische Lebenserwartung an. Und die unterscheidet sich bekanntlich zwischen Männern und Frauen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun zu entscheiden, ob die Anwendung geschlechterdifferenzierter Sterbetafeln im Rahmen des § 14 BewG mit dem Grundgesetz vereinbar ist – insbesondere mit dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG. Die Antwort: Ja, das darf so sein. Warum das so ist, was das Urteil für die Praxis bedeutet und worauf du künftig achten solltest – all das liest du in diesem Beitrag.

 

Was ist passiert?

 Ein Vater übertrug im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge seinen drei Kindern – darunter dem Kläger – jeweils 23,33 % seiner GmbH-Anteile. Dabei behielt er sich den lebenslangen Nießbrauch an den übertragenen Anteilen vor. Das bedeutete: Die Kinder wurden formal Gesellschafter, doch der Vater sollte weiterhin alle Erträge aus den Anteilen erhalten – und dafür sämtliche Lasten tragen.

Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer auf Grundlage des übertragenen Vermögenswerts abzüglich des Kapitalwerts des Nießbrauchs fest. Zur Berechnung dieses Kapitalwerts griff die Behörde auf die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes zurück. Für den Vater, der bei Übergabe 74 Jahre alt war, ergab sich laut Tabelle ein Vervielfältiger von 8,431.

Der Kläger sah darin eine verfassungswidrige Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, da Frauen – aufgrund ihrer statistisch höheren Lebenserwartung – steuerlich besser gestellt seien. Zudem hielt er die mathematische Grundlage der Berechnung für fehlerhaft und forderte, die Steuer auf null Euro zu reduzieren.

 

BFH bestätigt: Geschlechtergetrennte Sterbetafeln sind verfassungsgemäß

Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision des Klägers zurück. Die Anwendung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen gemäß § 14 Abs. 1 BewG sei verfassungsgemäß und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

Nach Ansicht des BFH verfolgt die gesetzliche Regelung ein legitimes Ziel mit Verfassungsrang: die realitätsnahe Erfassung des tatsächlichen Werts lebenslänglicher Leistungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Unterscheidung nach Geschlecht ist geeignet und erforderlich, weil Männer und Frauen statistisch belegbar unterschiedlich lange leben. Die daraus abgeleiteten Vervielfältiger gewährleisten eine gleichheitsgerechte Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Zudem handele es sich um eine zulässige gesetzliche Typisierung, die keinen individuellen Nachweis der Lebenserwartung verlangt. Auch ein mathematischer Fehler oder eine doppelte Berücksichtigung von Sterbefällen liege nicht vor. Die gesetzlichen Vorgaben seien klar und verfassungskonform. Ein Verstoß gegen EU-Recht scheide ebenfalls aus.

 

Bedeutung des Urteils für die steuerliche Bewertungspraxis

Mit seiner Entscheidung schafft der Bundesfinanzhof wichtige Klarheit für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Richter stellen unmissverständlich fest, dass die Anwendung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln – trotz der damit verbundenen Ungleichbehandlung – verfassungsrechtlich zulässig ist. Der BFH betont dabei die Notwendigkeit einer möglichst realitätsgerechten Bewertung, die sich an der statistischen Lebenserwartung orientiert. Das Urteil bestätigt somit die bestehende Bewertungspraxis und sichert die gesetzgeberische Entscheidung ab, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in ihrer geschlechterspezifischen Ausprägung zutreffend zu erfassen. Für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung bedeutet das: Die aktuelle Systematik der § 14 BewG bleibt unverändert anwendbar – auch gegen Gleichbehandlungsbedenken.

 

Tipp:
  • Nießbrauch sorgfältig planen und dokumentieren: Wer bei einer vorweggenommenen Erbfolge einen Nießbrauchsvorbehalt nutzt, sollte genau festhalten, wie lange und in welchem Umfang der Nießbrauch gilt. Das wirkt sich direkt auf die Schenkungsteuer aus – je länger der Nießbrauch andauert, desto höher die steuerliche Minderung.
  • Geschlechterdifferenzierende Sterbetafeln akzeptieren: Die Verwendung unterschiedlicher Vervielfältiger für Männer und Frauen ist verfassungsgemäß. Eine geschlechtsneutrale Berechnung kann nicht verlangt werden – das sollte man bei der steuerlichen Bewertung einkalkulieren, insbesondere bei der Gestaltung von Schenkungen mit Nießbrauchsrechten.
  • Steuerliche Auswirkungen frühzeitig berechnen lassen: Gerade bei komplexeren Vermögensübertragungen (z. B. GmbH-Anteilen mit Nießbrauch) lohnt es sich, vorab steuerliche Simulationen durchzuführen – inklusive der Bewertung nach § 14 BewG. So lassen sich Überraschungen bei der Steuerfestsetzung vermeiden und Spielräume optimal nutzen.

Quellen


https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202520067/

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