Stichtagsprinzip bei Schenkung: Wann Grundstücke nicht als Verwaltungsvermögen gelten
In einem aufsehenerregenden Urteil hat das Finanzgericht entschieden, dass Grundstücke im Zustand der Bebauung nicht automatisch dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen sind – selbst wenn eine spätere Vermietung geplant ist. Klingt technisch? Ist es auch. Aber genau solche Feinheiten können bei einer Schenkung oder Erbschaft über hohe Steuerbelastungen oder steuerliche Begünstigungen entscheiden. Wer denkt, ein noch nicht fertiggestelltes Gebäude sei steuerlich wie ein vermietetes zu behandeln, irrt. Das Urteil zeigt: Es lohnt sich, ganz genau hinzuschauen – und noch genauer zu planen.
Was ist passiert?
Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob sich zum Bewertungsstichtag 31.12.2019 im Zustand der Bebauung befindliche, noch nicht vermietete Grundstücke als Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG qualifizieren lassen. Der Kläger hatte – im Wege der Schenkung durch seinen Vater – Anteile an einer GmbH & Co. KG erhalten, die kurz zuvor zwei unbebaute Grundstücke erworben hatte. Die Bebauung war zum Stichtag im Gange, eine Vermietung fand nachweislich erst Monate später statt. Das Finanzamt sah darin Verwaltungsvermögen und lehnte die steuerliche Begünstigung ab. Der Kläger widersprach: Es liege keine Nutzung durch Dritte vor, die Voraussetzungen für Verwaltungsvermögen seien damit nicht erfüllt. Die Besonderheit: Das Urteil musste klären, ob allein die zukünftige Nutzung entscheidend ist – oder ausschließlich der objektive Zustand zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt.
Wenn Bebauung keine Nutzung ist: Wann Grundbesitz nicht als Verwaltungsvermögen zählt
Das Finanzgericht entschied zugunsten des Klägers und stellte klar: Die noch im Bau befindlichen, nicht vermieteten Grundstücke stellen kein Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG dar. Der angefochtene Bescheid wurde entsprechend abgeändert.
Zur Begründung führte das Gericht unter anderem folgende zentrale Punkte an:
- Keine tatsächliche Nutzung durch Dritte: Am Stichtag lag kein Besitzrecht Dritter vor, es bestanden weder Mietverhältnisse noch sonstige Nutzungsvereinbarungen.
- Wortlaut der Norm ist eindeutig: Maßgeblich sei die tatsächliche Überlassung – eine bloß geplante oder zukünftige Nutzung sei rechtlich unbeachtlich.
- Systematik des Gesetzes spricht gegen Ausweitung: Andere Vorschriften (z. B. § 13d ErbStG) regeln ausdrücklich auch zukünftige Nutzungen – im Fall des § 13b fehlt eine solche Formulierung bewusst.
- Keine analoge Anwendung zulasten des Steuerpflichtigen: Eine Erweiterung der Ausnahmetatbestände durch Auslegung oder Analogie ist unzulässig, wenn sie zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkt.
- Kein Gestaltungsmissbrauch: Die Wahl des Übertragungszeitpunkts sei zulässig – allein steuerliche Vorteile machen eine Gestaltung nicht unangemessen
Die Entscheidung betont damit das Primat des Stichtagsprinzips: Nur der objektive Nutzungszustand am Bewertungsstichtag ist entscheidend – Spekulationen über die künftige Verwendung bleiben außen vor.
Gestaltungsspielräume clever nutzen – was das Urteil für Steuerpflichtige bedeutet
Die Entscheidung des Finanzgerichts unterstreicht die zentrale Bedeutung des Bewertungsstichtags im Rahmen der schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen. Sie stellt klar, dass Grundstücke, die sich am Stichtag noch im Zustand der Bebauung befinden und zu diesem Zeitpunkt nicht Dritten zur Nutzung überlassen wurden, nicht als Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren sind.
Damit grenzt sich das Gericht deutlich von der Sichtweise der Finanzverwaltung ab, die regelmäßig auf eine künftige Nutzung abstellt – unabhängig vom tatsächlichen Zustand am Bewertungsstichtag. Der Senat betont dagegen, dass ausschließlich die Verhältnisse am Tag der Steuerentstehung zählen.
Zudem bestätigt das Gericht, dass eine bewusste Wahl des Übertragungsstichtags – etwa kurz vor der Fertigstellung eines Gebäudes – keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt. Vielmehr dürfen Steuerpflichtige unter mehreren rechtlich zulässigen Alternativen die steuerlich günstigste Variante wählen.
Diese Entscheidung stärkt somit die Gestaltungsfreiheit bei der Übertragung von Immobilienvermögen im Betriebsvermögen und bietet Unternehmen sowie Familiengesellschaften eine belastbare Grundlage für die steuerlich optimierte Planung von Schenkungen. Wer die Stichtagsregelung geschickt nutzt, kann erhebliche steuerliche Vorteile realisieren – ganz ohne rechtliches Risiko.
1. Übertragungszeitpunkt strategisch wählen
Planen Sie die Schenkung von Gesellschaftsanteilen gezielt zu einem Zeitpunkt, an dem sich Immobilien noch im Bau befinden und keine Nutzung durch Dritte vorliegt. So vermeiden Sie die Einordnung als Verwaltungsvermögen und sichern sich die steuerlichen Begünstigungen des Betriebsvermögens.
2. Dokumentation lückenlos führen
Halten Sie den baulichen Zustand, die tatsächliche Nutzung und die geplante Vermietung zum Bewertungsstichtag genau fest – zum Beispiel durch Fotos, Bauprotokolle und Verträge. Eine klare Aktenlage kann bei Nachfragen des Finanzamts entscheidend sein.
3. Gestaltungsspielräume frühzeitig mit Experten prüfen
Beziehen Sie steuerliche Berater oder Fachanwälte frühzeitig in die Planung ein, um alle Fristen und Fallstricke zu berücksichtigen. Die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen schützt Sie vor späteren Korrekturen oder Nachforderungen durch das Finanzamt.
Quellen
FG Münster Urteil v. 14.11.2024 – 3 K 908/23 F