Wenn das Erbe von einer Insel kommt
Stellen Sie sich vor: Sie erhalten plötzlich Zahlungen aus einem anglo-amerikanischen Trust auf der Kanalinsel Guernsey – regelmäßig, ohne eigenes Zutun, und ohne dass ein Testament Ihren Namen erwähnt. Was zunächst wie ein seltener Glücksfall erscheint, entpuppt sich schnell als steuerliches Minenfeld. Denn das Finanzamt sieht darin keine bloße Zuwendung, sondern eine steuerpflichtige Erbschaft.
Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein wirft ein Schlaglicht auf genau diesen Fall. Es geht um Millionenbeträge, internationale Trust-Strukturen – und die zentrale Frage: Wann ist eine Zahlung aus einem Trust tatsächlich erbschaftsteuerpflichtig?
Die Entscheidung bringt nicht nur Klarheit für Betroffene, sondern verändert auch den steuerlichen Umgang mit Trusts grundlegend. Wenn Sie selbst Vermögen im Ausland verwalten, Teil einer Erbengemeinschaft sind oder grenzüberschreitende Vermögensnachfolge planen, sollten Sie diesen Fall genau kennen.
Was ist passiert?
Die Klägerin erhielt über mehrere Jahre hinweg Zahlungen aus einem anglo-amerikanischen Trust mit Sitz auf der Kanalinsel Guernsey. Der Trust war im Jahr 2000 durch eine in Südafrika lebende Mutter errichtet worden. Begünstigte waren ihre Kinder, darunter auch die in Deutschland lebende Tochter – die spätere Klägerin.
Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2014 änderte sich die Zahlweise der Auskehrungen: Die Tochter erhielt ab diesem Zeitpunkt regelmäßig Zahlungen direkt vom Trust. Ein Testament, das sie ausdrücklich als Erbin ausgewiesen hätte, lag nicht vor. Dennoch ging das Finanzamt davon aus, dass diese Zahlungen im Zusammenhang mit dem Tod der Mutter stünden – also ein Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) vorläge – und setzte entsprechend Erbschaftsteuer fest.
Die Tochter klagte gegen diesen Bescheid. Sie argumentierte, sie habe kein Erbe im klassischen Sinn erhalten und sei nicht unmittelbar am Vermögen des Trusts beteiligt. Die Zahlungen seien freiwillig und ohne Rechtsanspruch erfolgt. Außerdem handele es sich bei einem Trust nach dem Recht von Guernsey nicht um eine juristische Person im deutschen Sinn, sodass das deutsche Erbschaftsteuerrecht hier nicht einfach anwendbar sei.
Das Finanzamt hielt dem entgegen, dass durch den Tod der Mutter eine Änderung der Begünstigtenstruktur eingetreten sei – und damit ein steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen vorliege.
Guernsey-Trust: Nicht automatisch steuerpflichtig
In einem bemerkenswerten Urteil entschied das Finanzgericht Schleswig-Holstein, dass der Erwerb von Vermögensvorteilen aus einem anglo-amerikanischen Trust nach dem Recht von Guernsey nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Der Kläger hatte sich gegen einen entsprechenden Steuerbescheid gewehrt – mit Erfolg. Das Gericht gab der Klage statt und begründete seine Entscheidung wie folgt:
- Keine vergleichbare Struktur zur Stiftung: Der Trust ist nicht mit einer deutschen Stiftung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vergleichbar. Es fehlt an einer rechtsfähigen Organisation, die als eigenständiger Rechtsträger angesehen werden könnte.
- Fehlende Stellung als Erbe: Der Kläger war nicht in der Rolle eines Erben im Sinne des deutschen Rechts. Die Begünstigung aus dem Trust stellt kein erbschaftsteuerlich relevantes Verhältnis dar.
- Schuldrechtlicher Charakter des Trusts: Der Trust nach dem Recht von Guernsey ist als rein schuldrechtliches Verhältnis ausgestaltet. Es fehlt eine dingliche Bereicherung des Klägers – also keine unmittelbare oder gesicherte Vermögenszuwendung.
- Keine wirtschaftliche Verfügungsmacht: Eine Zurechnung nach § 39 AO scheidet aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich über das Trustvermögen verfügen konnte.
- Kein steuerbarer Erwerbstatbestand: Insgesamt fehlt es an einer konkreten Bereicherung, die unter die Erbschaftsteuer fällt – somit ist der Bescheid aufzuheben.
Dieses Urteil zeigt eindrucksvoll, dass internationale Nachlassgestaltungen mit Trusts einer besonders differenzierten rechtlichen und steuerlichen Betrachtung bedürfen – vor allem, wenn sie außerhalb des deutschen Zivilrechts angesiedelt sind.
Weichenstellung für die Besteuerung internationaler Trust-Konstruktionen
Mit seiner Entscheidung hat das Finanzgericht Schleswig-Holstein ein bedeutsames Signal für den Umgang mit ausländischen Trusts im deutschen Erbschaftsteuerrecht gesetzt. Gerade angesichts der wachsenden Zahl grenzüberschreitender Nachlassgestaltungen liefert das Urteil eine wichtige Orientierungshilfe. Es zeigt auf, unter welchen Voraussetzungen ein anglo-amerikanischer Trust – wie im konkreten Fall nach dem Recht von Guernsey – als steuerlich relevanter Vermögensträger eingestuft werden kann. Damit schafft das Gericht mehr Rechtssicherheit für Erben, Finanzämter und Berater und gibt zugleich erste Leitlinien an die Hand, wie solche Konstruktionen zukünftig rechtlich und steuerlich zu würdigen sind.
1. Transparenz schaffen: Dokumentieren Sie sämtliche Trust-Dokumente sorgfältig – insbesondere zur Gründung, Verwaltung und Begünstigung. Deutsche Finanzämter prüfen genau, wer über das Trustvermögen verfügen kann und wie die wirtschaftliche Berechtigung strukturiert ist.
2. Rechtzeitige steuerliche Einordnung: Lassen Sie frühzeitig prüfen, ob der ausländische Trust in Deutschland als eigenständiges Steuersubjekt oder als transparentes Durchgangsinstrument behandelt wird. Das beeinflusst die erbschaftsteuerliche Bewertung maßgeblich.
3. Vermeiden Sie steuerliche Doppelbelastung: Stimmen Sie sich mit internationalen Beratern ab, um doppelte Besteuerungen zu vermeiden – etwa durch unterschiedliche Sichtweisen in Deutschland und im Herkunftsstaat des Trusts. Eine frühzeitige Planung schützt vor steuerlichen Überraschungen.
Quellen
Schl.-Holst. FG v. 10.10.2024 – 3 K 41/17