Erbschaftsteuer ohne Abzug? Wann das Finanzamt Nachlasskosten anerkennen muss

Lagerung, Expertise, Versteigerung - der BFH entscheidet, welche Kosten bei der Erbauseinandersetzung berücksichtigt werden können. Wer erbt, erwartet häufig klare Verhältnisse - besonders dann, wenn das Testament präzise Geldbeträge für...

kontaktaufnahme

Berlin
+49 30 - 32 51 21 550

Bochum
+49 234 - 95 70 07 00

Dortmund
+49 231 - 97 39 41 00

Duisburg
+49 203 - 94 19 31 00

Düsseldorf
+49 211 - 75 61 51 00

Essen
+49 201 - 85 77 01 00

Lagerung, Expertise, Versteigerung – der BFH entscheidet, welche Kosten bei der Erbauseinandersetzung berücksichtigt werden können.

Wer erbt, erwartet häufig klare Verhältnisse – besonders dann, wenn das Testament präzise Geldbeträge für die einzelnen Erben vorsieht. Doch genau an dieser Stelle beginnen in der Praxis oft die Streitigkeiten mit dem Finanzamt: Darf man die Kosten, die beim Verkauf von Nachlassgegenständen entstehen, wirklich als Nachlassverbindlichkeiten abziehen?

In einem richtungsweisenden Urteil hat der Bundesfinanzhof (Az. II R 49/21) nun deutlich Stellung bezogen – und dabei eine oft übersehene, aber enorm praxisrelevante Frage beantwortet: Wann sind Kosten für Lagerung, Begutachtung und Versteigerung tatsächlich Teil der Nachlassregelung – und wann nur Verwaltungskosten?

Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe der Entscheidung, ihre praktische Tragweite und was sie für die steuerliche Behandlung von Nachlasskosten künftig bedeutet.

Was ist passiert?

Die Klägerin war Miterbin einer Erbengemeinschaft. In diesem Testament hatten die Eheleute – die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann – festgelegt, dass nach dem Tod des Letztversterbenden bestimmte Geldbeträge an die jeweiligen Erben ausgezahlt werden sollten.

Um diese Geldbeträge zu realisieren, mussten bewegliche Nachlassgegenstände – insbesondere Kunstobjekte – veräußert werden. Da sich die Gegenstände bereits seit dem Umzug der Erblasser in eine Seniorenresidenz in einem gemieteten Lager befanden, wurden sie dort zunächst weiter aufbewahrt. Der Testamentsvollstrecker beauftragte zudem eine Kunstexpertin, um die Objekte zu sichten, zu inventarisieren und die Versteigerung vorzubereiten.

Die daraus resultierenden Kosten für Lagerung und das Honorar der Kunstexpertin machte der Testamentsvollstrecker in der Erbschaftsteuererklärung als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug ab und bewertete die Aufwendungen als nicht abzugsfähige Kosten der Nachlassverwaltung gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG. Einspruch und Klage blieben teilweise erfolglos – das Finanzgericht ließ lediglich die Räumungskosten zu.

Verteilung statt Verwaltung: Wann Kosten wirklich abzugsfähig sind

Der Bundesfinanzhof stellte in seiner Entscheidung vom 21. August 2024 (Az. II R 49/21) klar, dass die im konkreten Fall angefallenen Kosten für Lagerung und das Honorar einer Kunstexpertin nicht der bloßen Verwaltung, sondern der Verteilung des Nachlasses dienten – und damit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten zu behandeln sind.

Maßgeblich war für den BFH der Umstand, dass die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entstanden sind. Ziel war es nicht, den Nachlass zu verwalten oder zu mehren, sondern die testamentarisch festgelegten Geldbeträge für die Miterben zu erzielen – durch die Veräußerung der Nachlassgegenstände. Der Verkauf war demnach notwendiger Bestandteil der Nachlassverteilung, nicht etwa eine spätere Entscheidung zur Vermögensverwertung.

Zudem betonte der BFH:

  • Es sei unerheblich, ob die Erbauseinandersetzung auf gesetzlicher Erbfolge, testamentarischer Verfügung oder einer Vereinbarung der Miterben beruhe – entscheidend sei allein, dass die Kosten unmittelbar durch die Verteilung des Nachlasses veranlasst seien.
  • Auch sei es für die Abziehbarkeit unschädlich, wenn der Testamentsvollstrecker die Maßnahmen – wie die Lagerung oder die Beauftragung eines Experten – selbst veranlasst habe.
  • Eine günstigere Lösung hätte gewählt werden können, müsse aber nicht steuerlich relevant berücksichtigt werden.

Weichenstellung für die Nachlassbesteuerung in der Praxis

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat eine erhebliche Bedeutung für die erbschaftsteuerliche Beratungspraxis. Sie verdeutlicht, dass Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft entstehen, insbesondere dann, wenn sie der Umsetzung testamentarischer Geldanordnungen dienen, nicht als bloße Verwaltungskosten, sondern als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten einzuordnen sind. Dies betrifft vor allem Fallgestaltungen, in denen bewegliche Nachlassgegenstände veräußert werden müssen, um den testamentarisch bestimmten Willen des Erblassers zu erfüllen.

Die Entscheidung schafft damit mehr Rechtssicherheit für Steuerberater, Nachlassverwalter und Erben gleichermaßen. Sie klärt die bislang häufig streitige Abgrenzung zwischen Nachlassverteilung und Nachlassverwaltung und betont, dass für die steuerliche Beurteilung nicht allein die Art der Maßnahme, sondern ihr funktionaler Zusammenhang mit der Nachlassabwicklung entscheidend ist. Der BFH stellt damit klar, dass die Umsetzung letztwilliger Verfügungen, selbst wenn sie Kosten verursacht, nicht aus dem steuerlichen Abzug herausfällt, solange ein unmittelbarer Bezug zur Verteilung des Nachlasses besteht.

Diese Sichtweise entlastet insbesondere Testamentsvollstrecker und Miterben, die im Rahmen der Erbauseinandersetzung auf die Umwandlung von Sachwerten in Geldbeträge angewiesen sind. Zugleich stärkt das Urteil die Möglichkeit, solche Kosten künftig mit größerem Nachdruck gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen.

Tipp:

1. Verwertungsstrategie frühzeitig abstimmen:
Planen Sie rechtzeitig, ob Nachlassgegenstände verkauft werden müssen, um testamentarische Geldanordnungen umzusetzen – und dokumentieren Sie den Zweck klar.
2. Verträge professionell gestalten:
Formulieren Sie Lager- oder Expertenverträge so, dass ihr Zusammenhang mit der Nachlassverteilung eindeutig wird. Das erhöht die Anerkennungschancen.
3. Maßnahmen zeitnah umsetzen:
Je enger der zeitliche Bezug zum Erbfall, desto höher die Chance auf steuerliche Anerkennung. Verzögerungen können als bloße Verwaltung ausgelegt werden.

Quellen


https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410221/

Ihre Ansprechpartner

Rechtsanwälte und Berater


Mathias Scheidt

Mathias Scheidt

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht

Matthias Kalthoff

Matthias Kalthoff

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

Lena Frescher

Lena Frescher

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

KONTAKT

Professionelle Rechtsberatung



berlin
BERLIN

+49 30 - 32 51 21 550

bochum
BOCHUM

+49 234 - 95 70 07 00

dortmund
DORTMUND

+49 231 - 97 39 41 00

duisburg
DUISBURG

+49 203 - 94 19 31 00

duesseldorf
DÜSSELDORF

+49 211 - 75 61 51 00

essen
ESSEN

+49 201 - 85 77 01 00

videoberatung und videokonferenzen
Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.
Klicke oder ziehe eine Datei in diesen Bereich zum Hochladen.
Checkboxen
Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.

Formular

Klicke oder ziehe Dateien in diesen Bereich zum Hochladen. Du kannst bis zu 5 Dateien hochladen.
Checkboxen
Nach oben scrollen