Steuerliche Mitverantwortung: Warum auch Gehilfen haften können

Wer Beihilfe zu Steuerhinterziehung leistet, kann haftungsrechtlich belangt werden - mit weitreichenden Konsequenzen. Steuern zu hinterziehen ist nicht nur für die Täter riskant - auch Personen, die daran mitwirken, können...

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Wer Beihilfe zu Steuerhinterziehung leistet, kann haftungsrechtlich belangt werden – mit weitreichenden Konsequenzen.

Steuern zu hinterziehen ist nicht nur für die Täter riskant – auch Personen, die daran mitwirken, können haftungsrechtlich belangt werden. Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Hamburg hat diese Haftungsfrage grundlegend geklärt. Konkret geht es um § 191 Abs. 5 Satz 2 AO, der eine Ausnahme vom sonst geltenden Haftungsausschluss vorsieht. Normalerweise kann eine Person nicht mehr in Haftung genommen werden, wenn die Steuerschuld des eigentlichen Schuldners nicht mehr festsetzbar oder bereits verjährt ist. Doch dieser Schutz greift nicht bei Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei.

Das Besondere an diesem Urteil: Das Finanzgericht hat entschieden, dass diese Ausnahme nicht nur für die Täter einer Steuerhinterziehung gilt, sondern auch für Personen, die Beihilfe geleistet haben. Das bedeutet, dass auch Mitwirkende – wie etwa Steuerberater, Unternehmensmitarbeiter oder andere Beteiligte – unter bestimmten Umständen für die hinterzogenen Steuern haftbar gemacht werden können. Damit könnte die Entscheidung weitreichende Konsequenzen für viele Betroffene haben. Doch was genau bedeutet das in der Praxis? In diesem Beitrag analysieren wir die Hintergründe des Falls und die juristischen Folgen.

 Was ist passiert?

Das Finanzgericht Hamburg befasste sich mit der Frage, ob eine Person, die lediglich Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung geleistet hat, nach § 191 Abs. 5 Satz 2 AO in Haftung genommen werden kann.

Die Klägerin war Geschäftsführerin eines Zollbüros, das für die A GmbH Einfuhranmeldungen beim Zoll vornahm. Die A GmbH hatte zwischen März und Juli 2009 Waren aus Asien importiert und dabei bewusst falsche Angaben zu den Zollwerten gemacht. Der angebliche Verkäufer in Vietnam existierte nicht, und die tatsächlichen Einfuhrpreise waren deutlich höher als in den Deklarationen angegeben. Dadurch wurden Zölle und Antidumpingabgaben hinterzogen.

2017 wurde die Klägerin wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel rechtskräftig verurteilt. Das Hauptzollamt hatte die offenen Einfuhrabgaben bereits im Jahr 2009 gegen die A GmbH festgesetzt, jedoch blieb die Beitreibung erfolglos, da das Unternehmen 2010 Insolvenz anmeldete.

Das Finanzamt nahm daher die Klägerin in Haftung und berief sich auf § 191 Abs. 5 Satz 2 AO, wonach eine Haftung auch dann möglich ist, wenn die ursprüngliche Steuerschuld verjährt ist, sofern der Haftungsschuldner eine Steuerhinterziehung begangen hat. Die Klägerin argumentierte, dass diese Regelung nur für Täter gelte, nicht aber für bloße Teilnehmer wie sie. Zudem habe sie keine finanziellen Vorteile aus der Tat gezogen.

Das Finanzgericht Hamburg entschied jedoch, dass § 191 Abs. 5 Satz 2 AO auch auf Gehilfen einer Steuerhinterziehung anwendbar ist. Die Haftungsbescheide wurden daher als rechtmäßig bestätigt.

Auch Gehilfen haften für Steuerhinterziehung

Das Finanzgericht Hamburg bestätigte die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für die hinterzogenen Einfuhrabgaben der A GmbH. Es entschied, dass § 191 Abs. 5 Satz 2 AO nicht nur Täter, sondern auch Teilnehmer einer Steuerhinterziehung erfasst.

Begründung des Gerichts:

  1. Weite Auslegung des § 191 Abs. 5 Satz 2 AO
    Das Gericht stellte klar, dass der Begriff „Begehen einer Steuerhinterziehung“ nicht nur die täterschaftliche Begehung umfasst, sondern auch Teilnahmehandlungen wie Beihilfe. Dies ergibt sich aus der allgemeinen steuerrechtlichen Haftungssystematik, insbesondere der engen Verbindung von § 71 AO (Haftung für Steuerhinterzieher und deren Gehilfen) und § 191 Abs. 5 AO.
  2. Keine Differenzierung zwischen Täterschaft und Beihilfe
    Das Gericht argumentierte, dass die gesetzliche Haftungsdurchbrechung nicht dadurch umgangen werden könne, dass sich ein Beteiligter auf seine bloße Gehilfenrolle berufe. Dies hätte zur Folge, dass Steuerhinterziehung durch eine bewusste Aufgabenteilung leichter vor Haftungsansprüchen schützen könnte.
  3. Ermessensfehlerfrei ausgeübtes Haftungsrecht
    Das Finanzamt hatte die Klägerin in Haftung genommen, da die ursprüngliche Steuerschuldnerin, die A GmbH, aufgrund eines abgeschlossenen Insolvenzverfahrens nicht mehr leistungsfähig war. Die Haftungsentscheidung war daher nicht ermessensfehlerhaft, sondern entsprach der ständigen Rechtsprechung, wonach in solchen Fällen die Mittäter und Gehilfen in Anspruch genommen werden dürfen.

Das Gericht lehnte somit die Klage der Klägerin ab und bestätigte die Haftung.

Erweiterte Haftung bei Steuerhinterziehung

Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg hat weitreichende Konsequenzen für die steuerrechtliche Haftung. Es stellt klar, dass die Ausnahme vom Haftungsausschluss nach § 191 Abs. 5 Satz 2 AO nicht nur für den Haupttäter einer Steuerhinterziehung gilt, sondern auch für Personen, die als Gehilfen an der Tat beteiligt waren. Damit erweitert das Gericht die Möglichkeit, auch Teilnehmer einer Steuerhinterziehung zur Verantwortung zu ziehen und sie für Steuerschulden haftbar zu machen, selbst wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerschuld des Hauptschuldners bereits abgelaufen ist.

Besonders relevant ist dieses Urteil für Personen, die in steuerlich relevante Prozesse eingebunden sind – dazu zählen beispielsweise Unternehmensberater, Buchhalter oder Logistikdienstleister, die an der Abwicklung von Import- und Zollprozessen beteiligt sind. Das Gericht betont, dass bereits die Unterstützung einer Steuerhinterziehung ausreicht, um eine persönliche Haftung nach sich zu ziehen. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass sich auch Gehilfen nicht darauf berufen können, lediglich im Auftrag gehandelt zu haben oder selbst nur begrenzte finanzielle Vorteile aus der Tat gezogen zu haben.

Mit dieser Klarstellung zur Auslegung des § 191 Abs. 5 Satz 2 AO wird das Haftungsrisiko für Beteiligte an Steuerdelikten erheblich ausgeweitet. Das Urteil setzt damit ein starkes Signal, dass steuerliche Mitwirkungspflichten äußerst ernst genommen werden müssen. Unternehmen und Einzelpersonen, die in Steuerprozesse involviert sind, sollten künftig besonders darauf achten, keine Handlungen zu unterstützen, die eine Steuerhinterziehung ermöglichen oder begünstigen. Die Entscheidung zeigt eindrucksvoll, dass selbst eine untergeordnete Rolle in einer Steuerstraftat erhebliche finanzielle und rechtliche Konsequenzen haben kann.

Tipp:

1. Sorgfältige Dokumentation und Transparenz
o Alle steuerlich relevanten Vorgänge sollten lückenlos dokumentiert und gegenüber den Finanzbehörden offen gelegt werden. Eine unklare Buchführung oder undurchsichtige Geldflüsse können schnell zu steuerlichen Risiken führen.
2. Prüfung von Geschäftsbeziehungen
o Unternehmen sollten sich vergewissern, dass ihre Geschäftspartner tatsächlich existieren und keine Scheinunternehmen sind. Eine gründliche Überprüfung von Lieferanten und Kunden kann spätere Haftungsrisiken minimieren.
3. Rechtskonforme Steuerberatung einholen
o Wer steuerliche Pflichten auf Experten überträgt, sollte sich vergewissern, dass alle Angaben korrekt sind. Eine regelmäßige Abstimmung mit dem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist essenziell.
4. Verantwortlichkeiten im Unternehmen klar regeln
o Geschäftsleiter und Verantwortliche sollten sich ihrer steuerlichen Pflichten bewusst sein. Interne Kontrollmechanismen helfen, Fehler oder bewusstes Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

Quellen


https://www.iww.de/pstr/quellenmaterial/id/245759  / Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 25.07.2024 – 4 K 57/20

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