Gemeinschaftliches Ehegattentestament: Verlangen des Pflichtteils im Sinne einer Pflichtteilsstrafklausel

Erbrechtliche Streitigkeiten und die Bedeutung von Pflichtteilsstrafklauseln In der Praxis des Erbrechts spielen Pflichtteilsstrafklauseln eine wichtige Rolle, um die Interessen des länger lebenden Ehepartners und die gewünschte Erbfolge zu sichern....

kontaktaufnahme

Berlin
+49 30 - 32 51 21 550

Bochum
+49 234 - 95 70 07 00

Dortmund
+49 231 - 97 39 41 00

Duisburg
+49 203 - 94 19 31 00

Düsseldorf
+49 211 - 75 61 51 00

Essen
+49 201 - 85 77 01 00

Erbrechtliche Streitigkeiten und die Bedeutung von Pflichtteilsstrafklauseln

In der Praxis des Erbrechts spielen Pflichtteilsstrafklauseln eine wichtige Rolle, um die Interessen des länger lebenden Ehepartners und die gewünschte Erbfolge zu sichern. Dabei kann es zu Streitigkeiten kommen, wenn unklar ist, ob ein Pflichtteilsanspruch tatsächlich geltend gemacht wurde. Der vorliegende Fall befasst sich mit der Erbfolge nach dem Tod einer Erblasserin, deren gemeinschaftliches Testament mit ihrem verstorbenen Ehemann eine solche Klausel enthielt. Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob eine Geldzuwendung an eines der Kinder als Pflichtteilsforderung zu werten ist und welche Auswirkungen dies auf die Erbfolge hat.[1]

Was ist geschehen?

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die einzigen Kinder der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemanns W. Die Eheleute errichteten 1971 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Zudem enthielt es eine Pflichtteilsstrafklausel, wonach ein Kind, das nach dem Erstverstorbenen seinen Pflichtteil verlangt, auch nach dem Tod des Längstlebenden auf den Pflichtteil beschränkt wird.

Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 1976 veräußerte die Erblasserin im Jahr 1981 ein geerbtes Grundstück und zahlte der Beteiligten zu 2. 110.000 DM. In einem handschriftlichen Testament von 1984 erklärte sie, dass diese Zahlung eine Abgeltung ihres Erbteils am Nachlass des Vaters sei. Ihr Sohn A. solle daher als Ausgleich nach ihrem Tod ein Hausgrundstück allein erhalten, während das restliche Vermögen unter beiden Kindern aufgeteilt werde.Eine unterzeichnete Erklärung der Beteiligten zu 2. aus dem Jahr 1983 bestätigte, dass sie keine weiteren Ansprüche auf das Grundstück habe.

Erbscheinsantrag und Einspruch

Nach dem Ableben der Erblasserin stellte der Beteiligte zu 1. am 29. Dezember 2022 einen notariell beglaubigten Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, in dem er als Alleinerbe ausgewiesen werden sollte. Er argumentierte, dass die Beteiligte zu 2. nach dem Ableben des Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe und im Jahr 1981 erhalten habe, sodass sie gemäß der Pflichtteilsstrafklausel von der Erbfolge ausgeschlossen sei.Die Beteiligte zu 2. widersprach dem Antrag und bestritt, nach dem Ableben des Vaters Pflichtteilsansprüche geltend gemacht zu haben. Sie führte aus, dass die Zahlung der 110.000,00 DM nicht als Pflichtteil zu verstehen sei, sondern als Beitrag zu einem gemeinsamen Immobilienprojekt, bei dem zwei angrenzende Grundstücke erworben und mit identischen Häusern bebaut wurden. Die Erblasserin habe die Zahlung als Dankbarkeit für die von der Beteiligten zu 2. und ihrem Ehemann erbrachte organisatorische Leistung erbracht. Zudem sei keine Auskunft über den Nachlassbestand verlangt oder erteilt worden, was Voraussetzung für eine Pflichtteilsforderung gewesen wäre.

Erstinstanzliche Entscheidung des Nachlassgerichts

Mit Beschluss vom 7. Juli 2023 wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. zurück. Es begründete die Entscheidung damit, dass das geltend gemachte Erbrecht nicht der letztwilligen Verfügung der Erblasserin entspreche. Das handschriftliche Testament vom 1. Februar 1984 sei aufgrund der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments von 1971 unwirksam.

Das Gericht stellte fest, dass die in § 2 des Testaments enthaltene Pflichtteilsstrafklausel nicht erfüllt sei, da ein aktives Verlangen des Pflichtteils durch die Beteiligte zu 2. nicht festgestellt werden konnte. Weder die Zahlung der 110.000,00 DM noch die Erklärung vom 13. Oktober 1983 seien als ausdrückliche und ernsthafte Geltendmachung des Pflichtteils zu werten. Zudem habe die Erblasserin in ihrem Testament aus dem Jahr 1984 deutlich gemacht, dass ihre Tochter nicht von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollte.

Die Pflichtteilsstrafklausel im gemeinschaftlichen Testament

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde des Beteiligten zu 1. zurück. Es stellte fest, dass sich aus den Gesamtumständen kein aktives Verlangen des Pflichtteils durch die Beteiligte zu 2. ergab.

Das Gericht wies darauf hin, dass Pflichtteilsstrafklauseln in der Regel dazu dienen, den überlebenden Ehegatten vor finanziellen Belastungen durch Pflichtteilsforderungen zu schützen und eine faire Verteilung des Nachlasses unter den Schlusserben zu gewährleisten. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Klausel sei jedoch, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch bewusst und aktiv geltend macht. Dies war im vorliegenden Fall nicht nachweisbar.

Zwar habe die Beteiligte zu 2. eine erhebliche Geldsumme erhalten, jedoch fehle es an einer expliziten oder impliziten Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. Auch die Erklärung vom 13. Oktober 1983 stelle kein ausdrückliches Pflichtteilsverlangen dar. Da die Erblasserin zudem die Beteiligte zu 2. weiterhin als Miterbin in ihrem Testament berücksichtigt hatte, sei ein Ausschluss von der Erbfolge nicht anzunehmen.

Tipp:

• Klare Formulierungen:
Pflichtteilsstrafklauseln sollten eindeutig regeln, wann sie greifen, um Streit zu vermeiden.
• Zahlungen schriftlich festhalten:
Vereinbarungen zu Abfindungen oder Pflichtteilen sollten klar dokumentiert werden.
• Testament regelmäßig prüfen:
Änderungen in der Lebenssituation sollten Anlass für eine Aktualisierung sein.

Quellen


[1] OLG Braunschweig Beschl. v. 13.2.2025 – 10 W 11/25

Ihre Ansprechpartner

Rechtsanwälte und Berater


Mathias Scheidt

Mathias Scheidt

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht

Matthias Kalthoff

Matthias Kalthoff

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

Lena Frescher

Lena Frescher

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

KONTAKT

Professionelle Rechtsberatung



berlin
BERLIN

+49 30 - 32 51 21 550

bochum
BOCHUM

+49 234 - 95 70 07 00

dortmund
DORTMUND

+49 231 - 97 39 41 00

duisburg
DUISBURG

+49 203 - 94 19 31 00

duesseldorf
DÜSSELDORF

+49 211 - 75 61 51 00

essen
ESSEN

+49 201 - 85 77 01 00

videoberatung und videokonferenzen
Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.
Klicke oder ziehe eine Datei in diesen Bereich zum Hochladen.
Checkboxen
Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.

Formular

Klicke oder ziehe Dateien in diesen Bereich zum Hochladen. Du kannst bis zu 5 Dateien hochladen.
Checkboxen
Nach oben scrollen