Steuerhinterziehung durch Scheingeschäft – Wenn ein Verein nur auf dem Papier existiert

Steuern umgehen mit einem Trickverein? Warum diese Scheingestaltung für einen Arzt fatale Folgen hatte. Ein niedergelassener Arzt mit erheblichen Steuerschulden suchte einen Weg, sein Einkommen vor dem Finanzamt zu verbergen...

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Steuern umgehen mit einem Trickverein? Warum diese Scheingestaltung für einen Arzt fatale Folgen hatte.

Ein niedergelassener Arzt mit erheblichen Steuerschulden suchte einen Weg, sein Einkommen vor dem Finanzamt zu verbergen und sein Praxisvermögen vor der Zwangsvollstreckung zu schützen. Seine Lösung? Die Gründung eines Vereins, an den er offiziell seine Praxis übertrug – angeblich, um die wirtschaftliche Verantwortung abzugeben. Doch in Wahrheit war alles nur eine Fassade: Der Arzt lenkte weiterhin sämtliche Abläufe, behielt den Zugriff auf die Einnahmen und nutzte das Geld für sich.

Als das Finanzamt den Schwindel aufdeckte, landete der Fall vor Gericht. Während das Landgericht Stuttgart die Steuerhinterziehung in mehreren Fällen bestätigte, sprach es den Angeklagten in anderen Punkten frei – sehr zum Unmut der Staatsanwaltschaft, die daraufhin Revision einlegte. Doch der Bundesgerichtshof ließ das Urteil bestehen.

Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, dass vermeintlich clevere Steuertricks schnell enttarnt werden können – und dass die rechtlichen Folgen erheblich sind.

Was ist passiert?

Ein niedergelassener Arzt mit erheblichen Steuerschulden suchte einen Weg, sein Einkommen vor dem Finanzamt und der Zwangsvollstreckung zu schützen. Zu diesem Zweck gründete er einen Verein, an den er offiziell seine Praxis übertrug. Durch diese Konstruktion sollten die Vermögenswerte der Praxis vor dem Zugriff der Behörden gesichert und die Einnahmen der Besteuerung entzogen werden. Tatsächlich änderte sich jedoch nichts: Der Arzt blieb alleiniger Verantwortlicher, traf alle medizinischen und wirtschaftlichen Entscheidungen und nutzte die Praxisgewinne weiterhin für sich.

Trotz dieser Scheingestaltung rechnete er über Jahre hinweg vertragsärztliche Leistungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab. Die Staatsanwaltschaft warf ihm deshalb nicht nur Steuerhinterziehung, sondern auch Betrug gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung vor. Das Landgericht Stuttgart sah jedoch keine Täuschungshandlung, da der Arzt nach sozialrechtlichen Maßstäben weiterhin „in freier Praxis“ tätig war.

Wegen der Steuerhinterziehung in vier Fällen wurde der Arzt hingegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen den Teilfreispruch ein, blieb damit jedoch erfolglos.

BGH bestätigt Freispruch – Keine Täuschung bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Teilfreispruch des Angeklagten verworfen und das Urteil des Landgerichts Stuttgart bestätigt. Die Entscheidung basiert auf folgenden wesentlichen Punkten:

  • Keine Täuschungshandlung: Der Arzt habe trotz der formalen Übertragung seiner Praxis auf einen Verein weiterhin uneingeschränkt als Vertragsarzt praktiziert. Seine faktische Tätigkeit blieb unverändert, sodass er sozialrechtlich als „in freier Praxis“ tätig galt.
  • Scheinübertragung ohne Einfluss auf die Praxisführung: Die Gründung des Vereins und die Übertragung der Praxisvermögenswerte dienten vorrangig dazu, Vermögen vor der Zwangsvollstreckung zu schützen und steuerliche Vorteile zu erzielen. Tatsächlich behielt der Arzt jedoch die volle Entscheidungsgewalt über seine Praxis.
  • Rechtmäßige Abrechnung: Da sich an der tatsächlichen ärztlichen Tätigkeit nichts änderte, sei die Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Die Staatsanwaltschaft konnte keinen relevanten Irrtum oder eine Täuschungshandlung nachweisen.
  • Bestätigung der Beweiswürdigung des Landgerichts: Der BGH erkannte keine Widersprüche oder Fehler in der Argumentation der Vorinstanz und sah keine Grundlage für eine Aufhebung des Freispruchs.

Damit bleibt der Arzt hinsichtlich des Betrugsvorwurfs freigesprochen. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bleibt jedoch bestehen.

Abgrenzung zwischen steuerrechtlicher Gestaltung und strafbarem Betrug

Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat eine weitreichende Bedeutung für die rechtliche Beurteilung von steuerlichen Gestaltungen und die Grenzen strafbarer Täuschungshandlungen im Gesundheitswesen. Es verdeutlicht folgende Aspekte:

  • Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Betrug: Während der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, konnte ihm kein Betrug gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachgewiesen werden. Das zeigt, dass nicht jede steuerrechtlich fragwürdige Gestaltung automatisch auch eine Täuschungshandlung im Sinne des Strafrechts darstellt.
  • Scheingeschäfte allein begründen keinen Betrug: Die Übertragung von Praxisvermögen auf einen Verein wurde als Scheingeschäft eingestuft. Dennoch blieb die ärztliche Tätigkeit unverändert, weshalb der BGH keine strafrechtlich relevante Täuschungshandlung sah.
  • Relevanz für Vertragsärzte: Das Urteil klärt, dass für eine strafbare Täuschung bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen eine objektive Unrechtserklärung notwendig ist. Solange ein Arzt seine Praxis faktisch weiterführt und über seine Tätigkeit bestimmt, kann eine sozialrechtliche Abrechnung legitim sein, selbst wenn formale Umstrukturierungen vorgenommen wurden.
  • Strenge Maßstäbe für die Beweiswürdigung: Der BGH unterstreicht, dass Gerichte bei der Annahme eines Betrugstatbestands besonders sorgfältig prüfen müssen, ob tatsächlich eine Täuschung und ein dadurch hervorgerufener Irrtum vorliegen.

Insgesamt setzt das Urteil klare Grenzen zwischen steuerlich motivierten Vermögensverschiebungen und strafrechtlich relevanten Betrugstatbeständen. Es schützt Vertragsärzte vor ungerechtfertigten Betrugsvorwürfen, betont jedoch gleichzeitig, dass Steuerhinterziehung weiterhin konsequent verfolgt wird.

Tipp:

1. Steuerliche Gestaltung sauber dokumentieren
o Wer Vermögen umstrukturiert oder steuerliche Modelle nutzt, sollte diese rechtlich prüfen lassen. Unklare oder widersprüchliche Strukturen können schnell als Scheingeschäft gewertet werden.
2. Keine Vermögensverschiebung ohne wirtschaftliche Substanz
o Die Gründung eines Vereins oder einer anderen juristischen Person darf nicht nur auf dem Papier existieren. Entscheidend ist, dass tatsächliche wirtschaftliche Risiken und Entscheidungsbefugnisse übergehen.
3. Vorsicht bei Abrechnungen im Gesundheitswesen
o Vertragsärzte müssen sicherstellen, dass ihre Abrechnungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung den sozialrechtlichen Vorgaben entsprechen. Eine formale Änderung der Praxisstruktur allein kann nicht immer eine Abrechnungsberechtigung aufheben.
4. Rechtzeitig steuerliche und strafrechtliche Beratung einholen
o Wer mit erheblichen Steuerschulden konfrontiert ist, sollte frühzeitig steuerrechtliche und strafrechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Unbedachte Maßnahmen zur Steuervermeidung können schnell strafrechtlich relevant werden.

Quellen


BGH, Urteil vom 02.10.2024 - 1 StR 156/24 / https://www.iww.de/pstr/urteilsbesprechungen-steuerstrafrecht/steuerhinterziehung-steuerhinterziehung-durch-einen-arzt-der-sich-der-vollstreckung-zu-entziehen-versucht-f165818

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