Die Ehescheidung im Verhältnis zum Erbvertrag

Unwirksame Erbeinsetzung des künftigen Ehegatten beim Erbvertrag  In erbrechtlichen Auseinandersetzungen ergeben sich oftmals komplexe Fragestellungen hinsichtlich der Wirksamkeit von letztwilligen Verfügungen und Erbverträgen, insbesondere, wenn diese in besonderen Umständen, wie...

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Unwirksame Erbeinsetzung des künftigen Ehegatten beim Erbvertrag

 In erbrechtlichen Auseinandersetzungen ergeben sich oftmals komplexe Fragestellungen hinsichtlich der Wirksamkeit von letztwilligen Verfügungen und Erbverträgen, insbesondere, wenn diese in besonderen Umständen, wie beispielsweise kurz vor der Eheschließung oder in einer angespannten Lebenssituation, getroffen wurden. Die Frage, ob eine letztwillige Verfügung nach den jeweiligen Vorschriften wirksam bleibt, wird maßgeblich durch die gesetzlichen Bestimmungen über den Erbvertrag und das gesetzliche Erbrecht beeinflusst. Hierbei spielen sowohl gesetzliche Regelungen wie sie etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten sind, als auch höchstrichterliche Entscheidungen eine wesentliche Rolle bei der Klärung, wie Erbschaften und Ansprüche nach dem Tod eines Erblassers zu beurteilen sind.

Was ist geschehen?

Der in der Zeit vom 19.12.2023 bis 6.1.2024 verstorbene Erblasser war seit dem 18.9.2015 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Diese hatte mit dem Erblasser vor der Eheschließung am 14.9.2015 einen Erbvertrag sowie einen Ehevertrag geschlossen. In diesem Erbvertrag setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass der Erbvertrag bereits vor der Eheschließung gelten soll. Am 29.12.2021 stellte die Beteiligte zu 1 beim Familiengericht einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe sowie einen Scheidungsantrag. Zur Begründung führte sie aus, dass die Eheleute seit dem 23.8.2020 getrennt lebten. Der Erblasser, der die Ehe ebenfalls für gescheitert hielt, stimmte der Scheidung zu und erklärte, einen eigenen Scheidungsantrag stellen zu wollen. Trotz der Trennung und der Zustimmung des Erblassers wurde die Ehe bis zum Tod des Erblassers nicht rechtskräftig geschieden.[1]

Anfechtung des Erbscheinsantrags

Nach dem Tod des Erblassers beantragten die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 - die Tochter des Erblassers - jeweils einen Erbschein. Die Beteiligte zu 1 berief sich auf den Erbvertrag, während die Beteiligte zu 2 ihr gesetzliches Erbrecht geltend machte, da der Erbvertrag wegen der beabsichtigten Scheidung gemäß § 2077 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam sei. Das Amtsgericht wies den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurück und stellte fest, dass die Beteiligte zu 2 Alleinerbin sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG wies die Beschwerde zurück und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten begünstigt, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Eine Auflösung liegt auch dann vor, wenn zur Zeit des Todes die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser der Scheidung zugestimmt oder sie beantragt hatte (§ 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Vorschriften gelten auch für Erbverträge (§ 2279 Abs. 1 BGB).

Im vorliegenden Fall ist unwiderleglich davon auszugehen, dass die Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 1 gescheitert war. Der Erblasser habe durch seinen Verfahrensbevollmächtigten zu erkennen gegeben, dass er die Ehe für gescheitert halte und die Scheidung wünsche. Die bloße Ankündigung der Zustimmung zur Scheidung im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags habe deren Wirksamkeit nicht berührt. Der Erblasser habe zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er die Scheidung nicht mehr wünsche.

 Praxisrelevanz und Anwendung von § 2077 BGB

Die Entscheidung beruht auf der Vorschrift des § 2077 BGB, die eine nachträgliche Änderung der ehelichen Verhältnisse berücksichtigt. Danach war der Erbvertrag unwirksam, weil die Ehe als gescheitert galt und das Scheidungsverfahren bereits anhängig war. Auf eine Entscheidung des BGH konnte sich die Beteiligte zu 1 nicht berufen, da der Erbvertrag nur wenige Tage vor der Eheschließung geschlossen worden war und ausdrücklich für diesen Fall gelten sollte. Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Gestaltung von Erbverträgen, insbesondere bei nicht mehr intakten Ehen. Es empfiehlt sich, die Möglichkeit einer Scheidung und deren Auswirkungen auf den Erbvertrag rechtzeitig zu bedenken.

Fazit und Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche eine Anwendung des § 2077 BGB auch auf Fälle mit kurzem zeitlichen Abstand zwischen Eheschließung und Erbvertragsschluss befürwortet. Erbrechtliche Berater sind folglich angehalten, besondere Vorsicht walten zu lassen, sofern Erbverträge in Ehen geschlossen werden, deren Fortbestand ungewiss ist. Eine klare Regelung im Vorfeld erweist sich als entscheidend, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Tipp:

• Prüfung der Wirksamkeit von Erbverträgen:
Letztwillige Verfügungen und Erbverträge können unwirksam sein, wenn eine Ehescheidung bereits eingeleitet oder absehbar war (§ 2077 BGB).
• Gerichtliche Entscheidung:
Das OLG bejahte die Unwirksamkeit des Erbvertrages aufgrund des Scheiterns der Ehe, da der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte.
• Praxistipp:
Erbverträge sollten klare Regelungen für den Fall der Scheidung enthalten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Quellen


[1] OLG Celle, Beschluss vom 27.1.2025 – 6 W 148/24

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