Wiederverheiratung und ihre rechtlichen Konsequenzen
Die Auslegung eines Testaments kann im Erbfall zu erheblichen rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten stellt sich häufig die Frage, ob und in welchem Umfang der überlebende Ehegatte an frühere Verfügungen gebunden ist. Im vorliegenden Fall dreht sich der Streit um die Erbfolge nach dem Erblasser, der nach dem Tod seiner ersten Ehefrau erneut geheiratet und ein neues Testament errichtet hatte. Der Sohn aus erster Ehe macht nun Ansprüche aus dem ursprünglichen Testament geltend.
Das ursprüngliche Testament
Der Erblasser war mit P. verheiratet, und gemeinsam hatten sie einen Sohn, den Beteiligten zu 1). Am 07.04.1996 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament mit folgender Regelung:
- Sie setzten sich gegenseitig als Vorerben ein.
- Ihr Sohn T. wurde als Nacherbe des Erstversterbenden und als Vollerbe des Letztversterbenden bestimmt.
- Sollte der überlebende Ehegatte erneut heiraten, sollte der Nacherbfall eintreten.
P. verstarb am 25.04.1996. Der Erblasser heiratete am 08.11.1996 erneut die Beteiligte zu 2).
Neues Testament und geänderte Erbfolge
Am 27.10.2013 errichteten der Erblasser und seine zweite Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig als alleinige Vollerben ein. Nach dem Tod des Erblassers beantragten sowohl die Beteiligte zu 2) als auch der Beteiligte zu 1) einen Erbschein, der sie jeweils als Alleinerben ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht entschied am 19.07.2023, dass mit der Wiederverheiratung des Erblassers der Nacherbfall aus dem Testament von 1996 eingetreten sei. Dadurch sei die Bindung des Erblassers an das ursprüngliche Testament aufgehoben worden, sodass er mit dem Testament von 2013 frei über sein Erbe verfügen konnte. Die Beteiligte zu 2) wurde daher als Alleinerbin anerkannt.
Die Wechselbezüglichkeit des Testaments
Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 1) am 03.08.2023 Beschwerde ein. Er argumentierte, dass das Nachlassgericht die Erbfolge falsch eingeordnet habe. Da der Wortlaut des ursprünglichen Testaments nicht eindeutig sei, müsse er gemäß § 133 BGB ausgelegt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, was der Erblasser tatsächlich gewollt habe.
Insbesondere habe sich die Wechselbezüglichkeit auf das zum Zeitpunkt des Todes von P. vorhandene Nachlassvermögen bezogen. Die Wiederverheiratungsklausel solle lediglich verhindern, dass ein neuer Ehepartner am Erbe teilhabe. Daraus könne aber nicht automatisch abgeleitet werden, dass die Schlusserbeneinsetzung des gemeinsamen Sohnes ihre Wechselbezüglichkeit verliere. Er beanspruchte daher weiterhin das gesamte Erbe.
Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde
Der Senat hat entschieden, dass sich die Erbfolge nach dem Testament vom 27.10.2013 richtet, da die Bindungswirkung des ursprünglichen Testaments durch die Wiederverheiratungsklausel entfallen ist.
Die Nacherbfolge sei gemäß § 158 Abs. 1 BGB an die Bedingung der Wiederverheiratung geknüpft worden, die mit der Eheschließung des Erblassers eingetreten sei. Damit war der Erblasser von den Bindungen des Testaments von 1996 befreit. Eine ergänzende Auslegung des Testaments von 1996 dahingehend, dass die Wechselbezüglichkeit auch nach einer Wiederverheiratung fortbestehen sollte, sei nicht gerechtfertigt. Der Wortlaut gebe hierfür keinen Anhaltspunkt.
Äußere Umstände, die eine andere Auslegung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Das Gericht entschied, dass die Beteiligte zu 2) Alleinerbin sei und die Beschwerde der Beteiligten zu 1) unbegründet sei.
• Wiederverheiratung bedenken:
Eine Wiederverheiratung kann frühere Testamentsverfügungen außer Kraft setzen – klare Regelungen sind essenziell.
• Wechselbezüglichkeit prüfen:
Ehegattentestamente sollten hinsichtlich Bindungswirkung genau formuliert sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
• Juristische Beratung einholen:
Bei unklarer Testamentsauslegung kann eine rechtliche Prüfung helfen, langwierige Auseinandersetzungen zu vermeiden.