Wie Fehler bei der Beurkundung zu Schadensersatzansprüchen führen können
Der Pflichtteilsverzichtsvertrag ist ein wichtiger Baustein im Erbrecht, der sowohl für Erblasser als auch für potenzielle Erben eine zentrale Rolle spielt. Mit diesem rechtlichen Instrument können Familien Streitigkeiten über das Erbe vermeiden und individuelle Nachlassregelungen treffen. Doch der Verzicht auf den Pflichtteil ist kein einfacher Akt – er erfordert eine sorgfältige Abwägung und klare vertragliche Vereinbarungen. Die Anforderungen an einen Pflichtteilsverzichtsvertrag sind gesetzlich geregelt. Die Folgen eines solchen Verstoßes wurden von dem BGH entschieden:
Was ist geschehen?
Der verwitwete Erblasser hatte mit seinen beiden Töchtern, der Klägerin (Kl.) und deren Schwester (S) einen Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen. Im Vertrag verzichtete S gegen eine Abfindungszahlung von 30.000 Euro auf ihre Pflichtteilsrechte und Abfindungsansprüche gemäß der Höfeordnung (HöfeO). Die Zahlung wurde von der Kl. geleistet. E genehmigte den Vertrag nachträglich, da er bei der Beurkundung nicht anwesend war. Er wurde durch eine Mitarbeiterin des Beklagten vollmachtlos vertreten.[1]
Nach dem Tod des Erblassers streiten die Töchter des Erblassers über die Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichtvertrags. Die Klägerin zahlte an die Schwester als Abschlag 100.000 Euro. Sie macht einen Schadensersatzanspruch geltend, der ihr durch den von S erklärten unwirksamen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzicht entstanden ist.
Die Anforderungen an den Pflichtteilsverzichtvertrag
Aufgrund der weitreichenden Folgen des Pflichtteilsverzichtvertrags muss dieser notariell beurkundet werden gemäß § 2348 BGB. Er kann auch nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden. Auch ist gesetzlich vorgesehen, dass der Pflichtteilsverzichtvertrag von dem Erblasser nur persönlich geschlossen werden kann. Ausnahmen bei einer beschränkten oder gänzlichen Geschäftsunfähigkeit sind in § 2347 BGB geregelt.[2]
Mit diesen Voraussetzungen hat das Berufungsgericht die fehlende Anwesenheit des Erblassers bei der Beurkundung des Pflichtteilsverzichtvertrags, die von dem Beklagten übersehen wurde, als eine fahrlässige Verletzung seiner Amtspflicht aus § 17 Abs. 1 BeurkG angesehen. Die fehlende Anwesenheit des Erblassers führe zur Nichtigkeit des erbrechtlichen Verfügungsgeschäfts und gemäß § 139 BGB zur Unwirksamkeit der Verzichtsvereinbarung.
Der Beurkundungsfehler beim Pflichtteilsverzichtvertrag
Die gesetzliche Voraussetzung nach § 2347 S. 1 Hs. 1 BGB setzt gerade eine Anwesenheit des Erblassers vor. Eine Genehmigung der Erklärung der vollmachtlosen Vertreterin durch den Erblasser ist genauso wie eine spätere Annahme des unter Anwesenden abgegebenen Vertragsangebots der Verzichtenden sei ausgeschlossen.[3]
Das Gericht stellte fest, dass die verletzte Amtspflicht auch gegenüber der Klägerin bestand, da sie durch den Pflichtteilsverzicht begünstigt wurde.
Ein ererbter Anspruch gegen S auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags gemäß § 2346 Abs. 2 BGB steht der Klägerin nicht zu. Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein solcher Verzicht nach dem Tod des Erblassers nicht mehr möglich ist. Ob das Erfordernis des persönlichen Geschäftsabschlusses durch den Erblasser, das für das Verfügungsgeschäft Vorrausetzung ist, auch für die Verpflichtung zum Pflichtteilsverzicht gilt, kann offenbleiben. Pflichtteilsrecht ist zu unterscheiden vom Pflichtteilsanspruch. Der Erlass eines Pflichtteilsanspruchs ist gerade abzugrenzen von einem Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB, der ausschließlich zu Lebzeiten des Erblassers abgeschlossen werden kann.[4]
Der Anspruch auf Schadensersatz aus dem Pflichtteilsverzichtvertrag
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin dürfte auch nicht verjährt sein. Das Gericht stellte korrekt fest, dass die Frist der Verjährung erst mit dem Erbfall am 14.09.2020 zu laufen begann. Zu diesem Zeitpunkt sei auch gerade der Vermögensschaden durch die Minderung des Erbes um den Pflichtteilsanspruch der S entstanden.
Es wurde auch ein möglicher Teilschaden durch die Zahlung der 30.000 Euro angesprochen, jedoch abgelehnt, weil nicht festgestellt sei, dass die Klägerin selbst diese Zahlung aus ihrem Vermögen geleistet hätte. Im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsverzichtsvertrag möchten wir auf einen weiteren Beitrag verweisen, der eine ähnliche Thematik behandelt. Weitere Details finden Sie: https://rechtsanwaelte-gsp.de/2024/08/05/die-rechtlichen-folgen-des-pflichtteilsverzichts-kann-man-den-pflichtteilsverzicht-rueckgaengig-machen/#:~:text=GSP%2DTipp%3A%20Das%20Wichtigste%20zum%20Pflichtteilsverzicht%3A&text=Der%20Pflichtteilsverzichtvertrag%20muss%20notariell%20beurkundet,auf%20seinen%20gesetzlichen%20Pflichtteil%20verzichtet.&text=Neben%20einem%20Berliner%20Testament%20ist%20der%20Pflichtteilsverzicht%20besonders%20sinnvoll.
Quellen
[1] BGH, Urt. v. 20.11.2024 – IV ZR 263/23
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2347.html
[3] BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 242/94
[4] BGH, Urteil vom 13.11.1996 - IV ZR 62/96 (München)
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