OLG Saarbrücken: Hemmung der Ausschlagungsfrist durch höhere Gewalt[1]
Die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft sind eine zentrale Entscheidung im Erbrecht, die erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen haben kann. Um eine klare Rechtslage zu schaffen und die Abwicklung des Nachlasses zu gewährleisten, sieht § 1944 BGB eine feste Frist vor, innerhalb derer ein Erbe die Möglichkeit hat, die Erbschaft auszuschlagen. Diese sogenannte Ausschlagungsfrist beträgt grundsätzlich sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe Kenntnis von seiner Erbenstellung und dem Berufungsgrund erlangt. Die Ausschlagungsfrist kann gehemmt werden durch „höhere Gewalt“ im Sinne des § 206 BGB. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Frist für die Ausschlagung einer Nacherbschaft gewahrt wurde und welche rechtlichen Konsequenzen sich aus einem vermeintlichen Fristversäumnis ergeben.
Was ist geschehen?
Die Beteiligte zu 1) legte Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags ein, einen Erbschein zu erhalten, der ihr alleiniges Erbrecht nach dem verstorbenen Erblasser bezeugt. Der Erblasser hatte seine Ehefrau (Mutter der Beteiligten zu 1) als Vorerbin und seine Kinder (Beteiligte zu 2) bis 5)) als Nacherben bestimmt. Nach dem Tod der Vorerbin schlugen die Nacherben die Erbschaft aus, da diese überschuldet war. Diese Ausschlagung wurde jedoch vom Nachlassgericht aufgrund verspäteter Einreichung für unwirksam erklärt.
Die Beteiligte zu 1) argumentierte, dass die Ausschlagung rechtzeitig erfolgte, da höhere Gewalt (verspätete Postzustellung) die Frist gehemmt habe.
Hemmung der Ausschlagungsfrist
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass die Erbausschlagung aufgrund verspäteter Einreichung bei Gericht nicht fristgerecht nach § 1944 BGB erfolgt ist. Die Ausschlagungserklärung wurde am 19. März 2021 vor einem Notar abgegeben, erreichte das Gericht jedoch erst am 30. März 2021. Der Nacherbfall sei somit auf die Beteiligten zu 2) bis 5) übergegangen.
Eine Anfechtung der verspäteten Ausschlagung war nicht möglich, da kein Anfechtungsgrund vorlag. Die Verzögerung beim Eingang der Erklärung sei auch nicht durch höhere Gewalt gerechtfertigt, da andere rechtzeitige Übermittlungswege verfügbar gewesen wären.
Die gesetzliche Regelung ist, dass gemäß §1944 Abs. 2 S.1 und 2 BGB die Ausschlagungsfrist in dem Augenblick beginnt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und dem Grunde der Berufung zur Erbfolge Kenntnis erlangt. Wichtig ist, dass die Ausschlagungserklärung spätestens am letzten Tag der Frist beim Nachlassgericht eingeht, um fristgerecht zu sein.
Der Erbe kann die Ausschlagung entweder persönlich beim Nachlassgericht erklären oder sie durch einen Notar öffentlich beglaubigen lassen. Im Falle der notariellen Beglaubigung sollte der Erbe mit dem Notar klären, ob dieser die Erklärung per Post versendet oder persönlich beim Nachlassgericht einreicht.
Was ist höhere Gewalt?
Der Ablauf einer gesetzlichen Frist, einschließlich der Frist zur Erbausschlagung, kann unterbrochen werden, wenn der Erbe aufgrund höherer Gewalt daran gehindert war, seine Ausschlagung rechtzeitig vor dem Nachlassgericht zu erklären.
Die Rechtsprechung definiert höhere Gewalt als Ereignisse, die selbst bei größter und zumutbarer Sorgfalt weder vorhersehbar noch vermeidbar waren. Schon ein geringfügiges Verschulden des Erben schließt das Vorliegen höherer Gewalt aus.
Daher gelten strenge Maßstäbe für das sorgfältige Handeln. Beispiele für höhere Gewalt sind etwa eine plötzlich und unerwartet auftretende Krankheit oder Verzögerungen im Postverkehr.
Hemmung der Anfechtung per Post
Nach Auffassung der Rechtsprechung kann höhere Gewalt insbesondere dann vorliegen, wenn eine amtliche Stelle oder Behörde – in diesem Fall der Notar – die Angelegenheit fehlerhaft bearbeitet hat. Der Notar hatte sich verpflichtet, die Erklärungen fristgerecht beim Nachlassgericht einzureichen. Die leiblichen Kinder des Erblassers durften darauf vertrauen, dass der Notar seine Amtspflichten sorgfältig und gewissenhaft erfüllt. Dass der Notar oder seine Mitarbeiter diesen Auftrag schuldhaft nicht ordnungsgemäß ausgeführt haben, steht außer Zweifel.
Da die Frist aufgrund dieser Umstände gehemmt war, konnten die Ausschlagungserklärungen noch rechtzeitig eingehen und wurden dadurch wirksam. Dies hätte rückwirkend dazu geführt, dass die Mutter der Antragstellerin zur Vollerbin geworden wäre. Nach dem Tod der Mutter trat jedoch die Tochter und Antragstellerin als deren Alleinerbin in die Rechtsstellung der Mutter ein und beerbte den Erblasser allein. Der auf den Namen der Mutter ausgestellte Erbschein war daher an die Tochter zu übertragen.
Quellen
Standorte
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