Die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen ist ein oft missverstandenes Thema im Erbrecht. Vor allem die Frage, wann die Frist beginnt und unter welchen Umständen sie gehemmt oder verlängert werden kann, sorgt für Unsicherheit. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm klärt, wie bestimmte Umstände die Verjährungsfrist beeinflussen können.
Was ist der Pflichtteil und wie entsteht ein Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Anspruch für bestimmte Angehörige eines Erblassers, wenn sie enterbt wurden. Er schützt insbesondere Kinder, Ehepartner und Eltern davor, komplett leer auszugehen. Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Tod des Erblassers, und die Betroffenen können ihren Anspruch innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist geltend machen.
Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche: Die drei Jahre-Regel bzw. Silvesterverjährung
Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche drei Jahre. Diese Frist beginnt gemäß § 199 I BGB mit dem Ende des Jahres (Silvester), in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entscheidend ist dabei die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von allen relevanten Umständen, also insbesondere vom Tod des Erblassers und der für ihn nachteiligen Verfügung.
Das Urteil des OLG Hamm
Im Fall, der dem OLG Hamm vorlag, war der Pflichtteilsberechtigte aufgrund früherer Testamente als Alleinerbe eingesetzt worden. Als er später von einem neuen Testament erfuhr, in dem er enterbt und die zweite Ehefrau des Erblassers zur Alleinerbin bestimmt wurde, zweifelte er an der Gültigkeit des letzten Testaments. Er argumentierte, dass sein Vater zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung möglicherweise aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr testierfähig gewesen sei.
Der Pflichtteilsberechtigte beantragte zunächst einen Erbschein, um im Erbscheinverfahren die Gültigkeit des letzten Testaments anzufechten. Erst mit dem Zugang des Gutachtens zur Testierfähigkeit des Erblassers konnte er feststellen, dass der Erblasser testierfähig war und das letzte Testament somit wirksam war. Nach Auffassung des Gerichts setzte erst diese endgültige Klärung die Verjährungsfrist in Gang.
Das Gericht stützte sich dabei insbesondere auf § 199 I, II BGB, der bestimmt, dass die Verjährung erst dann beginnt, wenn der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit haben müsste.
Kenntnis von der beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung setze nach den Richtern voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte den wesentlichen Inhalt der beeinträchtigenden Verfügung erkannt hat. Dazu ist eine in die Einzelheiten gehende Prüfung der Verfügung und eine fehlerfreie Bestimmung ihrer rechtlichen Natur nicht erforderlich. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Vorstellungen des Pflichtteilsberechtigten über den beim Erbfall vorhandenen Nachlass und seinen Wert zutreffen. Die erforderliche Kenntnis kann jedoch fehlen, wenn der Berechtigte infolge Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgeht, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam und entfalte daher für ihn keine beeinträchtigende Wirkung. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.
So hat das OLG Hamm die Auffassung vertreten, dass der Pflichtteilsberechtigte erst mit dem Zugang des Gutachtens, das die Testierfähigkeit bestätigte, tatsächliche „Kenntnis“ im Sinne von § 199 BGB erlangte. Somit waren Pflichtteilsansprüche nicht verjährt.
Fazit: Die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen (Potentiell) Pflichtteilsberechtigte sollten ihre Ansprüche grundsätzlich so früh wie möglich geltend machen. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig, alle relevanten Umstände zu kennen, um den Verjährungsbeginn korrekt einschätzen zu können und nicht übereilt zu handeln. Angemessene Abhilfe kann in solchen Fällen eine rechtliche Beratung leisten, die oftmals unverzichtbar ist. Gerne stehen Ihnen unsere Experten kompetent zur Seite!
Quellen
OLG Hamm, Urt. v. 2.3.2023 – 10 U 108/21, ErbR 2023, 876ff.
Standorte
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