Die rechtlichen Folgen des Pflichtteilsverzichts-Kann man den Pflichtteilsverzicht rückgängig machen?
Der Drogerieunternehmer Erwin Müller und seine Frau adoptieren drei Kinder, die im Erwachsenenalter waren. Später verzichteten die Adoptivkinder auf ihren Pflichtteil im Wege eines Pflichtteilverzichtvertrags. Nun klagen die erwachsenen Adoptivkinder gegen diesen Pflichtteilsverzicht. Der Streitwert wurde auf den gesetzlichen Höchstwert von 30 Millionen Euro festgesetzt und das Gericht entschied zuungunsten der Kläger. Doch was genau regelt ein Pflichtteilsverzicht und kann man diesen rückgängig machen?
Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichtvertrags
Der Pflichtteilsverzichtvertrag ist ein Instrument in der Gestaltung der Erbfolge. Diese ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn ein Pflichtteilsberechtigter zu Lebzeiten viele Zahlungen vom Erblasser bekommen hat und in Folge auf sein Pflichtteil verzichten soll. Dies hat zur Folge, dass der Erblasser den Nachlass schützen kann und dadurch einen Streit vermeiden kann, weil keiner der Erben benachteiligt wird.
Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, welche die Person bei gesetzlicher Erbfolge hätte. Pflichtteilsberechtigt sind Ehegatten des Erblassers, eingetragene Lebenspartner aber auch Kinder des Erblassers. Die abschließende Aufzählung ist in §§ 2303, 2309 BGB geregelt.
Der Pflichtteilsverzichtvertrag hat formale Voraussetzungen. Sie muss aufgrund der gravierenden Folgen für die Betroffenen notariell beurkunden werden. Bei fehlender notarieller Beurkundung ist dieser Vertrag nicht gültig.
Die Adoptivkinder berufen sich auf eine Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts
Der Pflichtteilsverzichtsvertrag kann nur unter begrenzten Möglichkeiten aufgehoben werden. Einerseits kann der Pflichtteilsverzicht nur in beiderseitigem Einverständnis von den Parteien erklärt werden, die auch notariell beurkundet werden muss. Falls es zu einem solchen beidseitigen Einverständnis nicht kommt, kann der Verzicht angefochten werden unter dem Einwand des Irrtums, der Täuschung oder der Drohung. Die Sittenwidrigkeit ist zwar auch ein Nichtigkeitsgrund, jedoch ist er nur in sehr seltenen Fällen einschlägig.
Die Adoptivkinder von Erwin Müller haben gerade diesen Einwand erhoben: Sie haben die Verträge nicht ausreichend lange im Voraus bekommen. Die Kläger behaupteten auch in einer seelischen Zwangslage gewesen zu sein. Diese ganzen Einwände konnten die Kammer nicht überzeugen. Die Richterin entkräftete jeden Einwand der Kläger. Ihnen sei bekannt gewesen, dass es einen Beurkundungstermin geben und der Pflichtteilsverzichtvertrag unterschrieben werden sollte. Auch sah das Gericht in der Rechtsfähigkeit der erwachsenen Adoptieren kein Problem: Sie seien in der Lage gewesen, die Tragweite ihres Verzichts abzuschätzen.
Wann ein Pflichtteilsverzicht sinnvoll ist:
Der Pflichtteilsverzichtvertrag hat rechtliche, familiäre und finanzielle Gründe. Der Verzicht ist insbesondere von Vorteil, wenn die Ehegatten ein sogenanntes Berliner Testament errichtet haben. Wenn der überlebende Ehegatte Alleinerbe werden soll, um die finanzielle Grundlage zu sichern, werden die Kinder erstmal enterbt und beim Versterben des zweiten Ehegatten als Schlusserben eingesetzt. Hier besteht die Gefahr, dass eines der Abkömmlinge gerade sein Pflichtteil geltend machen kann, wenn der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird. Bei einem Nachlass, der überwiegend aus Immobilien oder Unternehmensanteilen besteht, ist es möglich, dass der Alleinerbe den Pflichtteilsanspruch nicht erfüllen kann.
Neben großzügigen lebzeitigen Zuwendungen ist auch bei Pflichtteilsberechtigten, die überschuldet sind oder finanziell von Sozialhilfen abhängig sind, ein Pflichtteilsverzichtvertrag beim Notar eine gute Möglichkeit, um den Nachlass zu sichern.
Die Adoptivkinder geben sich nicht zufrieden: Sie streben die Berufung an
Der Anwalt der Kläger gibt sich mit dem Urteil nicht zufrieden: „Das Urteil ist unhaltbar und verstößt offenkundig gegen das Gesetz“. Die Berufung ist jedoch ohne finanzielle Unterstützung nicht möglich, denn laut dem Anwalt der Adoptivkinder können diese „die Kosten nicht aufbringen“. Demnach ist abzuwarten, ob die Adoptivkinder des Drogerieunternehmers Erwin Müller doch den Pflichtteilsverzicht erfolgreich anfechten können.
GSP-Tipp: Das Wichtigste zum Pflichtteilsverzicht:
• Der Pflichtteilsverzichtvertrag muss notariell beurkundet werden und hat die Rechtsfolge, dass der Erbe auf seinen gesetzlichen Pflichtteil verzichtet. • Neben einem Berliner Testament ist der Pflichtteilsverzicht besonders sinnvoll. • Häufig ist neben einem Pflichtteilsverzichtvertrag eine Abfindung vereinbart.
• Neben einer einverständlichen Aufhebung zwischen den Parteien, ist die Anfechtung des Pflichtteilsverzichtvertrags nur unter strengen Voraussetzungen möglich.
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